Rz. 242
Die WEG-Ansprüche beziehen sich nur auf das konkrete in der Versteigerung befindliche Objekt (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG: "... daraus fälligen Ansprüche ..."). Besitzt ein Schuldner also mehrere Wohnungen und ist er mit den jeweiligen Hausgeldern in Zahlungsverzug, gilt bei jeder einzelnen Wohnung die Bevorrechtigung in der Zwangsversteigerung.
Rz. 243
Hinweis
Die Objektbezogenheit muss durch die Verwaltung gegenüber dem Vollstreckungsgericht glaubhaft gemacht werden. Dies kann durch eidesstattliche Erklärung des WEG-Verwalters nach § 294 ZPO erfolgen. Da die stärkste Form der Glaubhaftmachung allerdings die Titulierung darstellt, muss die Eigentümergemeinschaft jetzt beachten, dass der jeweilige Objektbezug und der Zeitraum der Forderung direkt aus dem Titel (Tenor bzw. Gründen) ersichtlich sind.
Rz. 244
Die Vorrechtsansprüche müssen fällig sein. Damit wird sichergestellt, dass keine Leistungen erfasst werden, über deren Erbringung die Wohnungseigentümer noch nicht beschlossen haben, etwa bei Restzahlungen aus einer Jahresabrechnung, über die noch nicht befunden wurde. Die fälligen Beträge der wiederkehrenden Leistungen werden jedoch nur bis zum Zeitpunkt des Zuschlags berücksichtigt. Ab dann trägt der Ersteher gemäß § 56 S. 2 ZVG die anfallenden Lasten. Die Fälligkeit der Ansprüche tritt mangels anders lautender Regelung mit dem Abruf durch den Verwalter ein (vgl. § 28 Abs. 5 WEG). Nicht vorausgesetzt wird die Bestandskraft der Ansprüche.
Rz. 245
Damit das Vorrecht aus Rangklasse 2 optimal ausgenutzt werden kann, muss die Hausverwaltung darauf achten, dass eine rechtzeitige Anmeldung erfolgt, denn solche Ansprüche sind nicht aus dem Grundbuch ersichtlich. Dies ist nur bis zur Aufforderung zur Abgabe von Geboten möglich (§ 37 Nr. 4 ZVG). Wird dieser Zeitpunkt verpasst, kann dies dazu führen, dass die Eigentümergemeinschaft bei einer Versteigerung weniger oder überhaupt nichts erhält (§ 110 ZVG)! Dies beinhaltet also für Verwalter bzw. für beratende Rechtsanwälte stets die Gefahr eines Regresses!
Rz. 246
Beispiel 2
Das Gericht ordnet im Mai 2022 wegen titulierter Hausgeldforderungen von 5.000,00 EUR für die Jahre 2012 und 2011 aus Rangklasse 2 die Versteigerung an. Die in Abt. III Nr. 1 eingetragene Bank tritt dem Verfahren wegen ihres dinglichen Anspruchs von 100.000,00 EUR nebst Zinsen seit 1.1.2008 bei. Der Versteigerungstermin wird für den 16.12.2022 anberaumt.
Rz. 247
Da bis zum Versteigerungstermin weitere, d.h. laufende Hausgeldforderungen fällig werden, diese aber nicht tituliert sind, müssen diese im Termin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet werden, damit ebenfalls eine Berücksichtigung in Rangklasse 2 erfolgen kann. Geschieht dies nach diesem Zeitpunkt, fällt die Eigentümergemeinschaft bei einer evtl. Erlösverteilung hinter die Grundschuldgläubigerin und erhält daher in der Regel nichts.
Rz. 248
Wichtig:
Da § 10 Abs. 1 Nr. 2 WEG von "fälligen Ansprüchen" ausgeht, muss der jeweilige Fälligkeitszeitpunkt beachtet werden, und zwar berechnet bis zwei Wochen nach dem Versteigerungstermin (§ 47 ZVG).
Rz. 249
Beispiel 3
Nach dem Beschluss der Eigentümerversammlung werden die Hausgelder monatlich am Ersten im Voraus fällig. Im vorherigen Beispiel 2 könnte daher die Eigentümergemeinschaft die bis zum 30.12.2022 fällig werdenden Ansprüche anmelden.
Rz. 250
Praxistipp
Es empfiehlt sich, die Forderungen durch einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft frühzeitig fällig werden zu lassen. Dies könnte in etwa derart formuliert werden, dass bei einem Zahlungsrückstand durch den jeweiligen Wohnungseigentümer als Schuldner von mehr als zwei Wochen, sofort für das laufende Kalenderjahr dessen restliche Zahlungsverpflichtungen fällig werden.
Rz. 251
Die Auswirkungen der Neuerungen, die für alle ab dem 1.7.2007 anhängigen Verfahren gelten, sind für die Eigentümergemeinschaft enorm, da hierdurch sich vielfach Hausgeldforderungen realisieren lassen.
Rz. 252
Beispiel: Eigentümergemeinschaft betreibt die Zwangsversteigerung
Rechtslage bis 30.6.2007:
Aus dem Wohnungs-Grundbuch des Schuldners S. ergeben sich in Abt. III folgende Belastungen:
Grundschuld III/1 zu 100.000,00 EUR nebst 15 % Zinsen kalenderjährlich nachträglich fällig seit 1.1.2000.
Die Eigentümergemeinschaft X. beantragt im Mai 2007 die Zwangsversteigerung wegen titulierter Hausgeldforderungen von 5.000,00 EUR aus den Jahren 2005 und 2006 aus Rangklasse 5 (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 ZVG). Der Zwangsversteigerungsvermerk wird am 20.5.2007 im Grundbuch eingetragen. Der Verkehrswert der Wohnung beträgt 110.000,00 EUR. Der Versteigerungstermin ist auf den 15.11.2007 angesetzt. Das geringste Gebot berechnet sich folgendermaßen:
I. bestehen bleibende Rechte
1. Grundschuld III/1 zu 100.000,00 EUR nebst 15 % Zinsen seit 1.1.2000
II. Mindestbargebot
1. Verfahrenskosten (angenommen): 3.000,00 EUR
2. öffentliche Lasten (angenommen; z.B. Grundsteuer): 1.000,00 EUR
3. laufende und für zwei Jahre rückständige angemeldete Zinsen des bestehen bleibenden Rechts I...