Rz. 153
Soweit keine Schutzanträge der Beteiligten bzw. über solche rechtskräftig beschieden wurde, leitet das Gericht i.d.R. das sog. Wertermittlungsverfahren ein, indem es i.d.R. einen Sachverständigen mit der Begutachtung und Bewertung des Grundbesitzes beauftragt. Gläubiger und Schuldner haben gegen die Zuziehung eines Sachverständigen ein Ablehnungsrecht (§ 406 ZPO).
a) Zweck der Wertermittlung/-festsetzung
Rz. 154
Die Wertermittlung und -festsetzung gem. § 74a Abs. 5 S. 1 ZVG soll einer Verschleuderung des beschlagnahmten Grundstücks entgegenwirken (vgl. §§ 74a, 85a Abs. 1 ZVG) und den Bietinteressenten eine Orientierungshilfe für ihre Entscheidung geben; sie muss daher auf eine sachgerechte Bewertung des Grundstücks ausgerichtet sein. Das Vollstreckungsgericht ist daher verpflichtet, alle den Grundstückswert beeinflussenden Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art sorgfältig zu ermitteln. Es muss daher ggf. Verdachtsmomenten über z.B. etwaige Verunreinigungen nachgehen und alle zumutbaren Erkenntnisquellen nutzen. Wie sich aus § 5 Abs. 5 S. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 9 ImmowertV ergibt, gehört zu den wertbeeinflussenden Eigenschaften eines Grundstücks die Beschaffenheit des Bodens und dessen Belastung mit Bodenverunreinigungen. Bestehen ernstzunehmende Anhaltspunkte, dass der Boden eines beschlagnahmten Grundstücks verunreinigt sein könnte, ist das Gericht deshalb grundsätzlich gehalten, mit sachverständiger Hilfe zu ermitteln, ob eine Kontaminierung vorliegt und wie schwerwiegend diese ggf. ist. Es muss Verdachtsmomenten nachgehen und alle zumutbaren Erkenntnisquellen über eine etwaige Verunreinigung nutzen. Der Verkehrswert kann i.d.R. aber nur annäherungsweise und nicht exakt im Sinne einer mathematischen Genauigkeit ermittelt werden. Dementsprechend sind bei der Bewertung des Grundstücks mehr oder weniger unterschiedliche Ergebnisse – in gewissen Toleranzen – unvermeidbar, sodass kleinere Diskrepanzen des vom Sachverständigen ermittelten Verkehrswerts nicht ohne Weiteres zu dessen Lasten gehen.
Der Feststellung des Verkehrswertes kommt daher eine erhebliche Bedeutung zu, insbesondere bei:
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einer Zuschlagsversagung wegen Nichterreichens der 7/10-Grenze nach § 74a ZVG; |
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einer Zuschlagsversagung wegen Nichterreichens der 5/10-Grenze nach § 85a Abs. 1 ZVG; |
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Bietern im Hinblick auf die zu erbringende Sicherheitsleistung. Um überhaupt mitbieten zu können, müssen nämlich u.U. 10 % des Verkehrswerts als Sicherheit erbracht werden; |
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Teilnahme einer Wohnungseigentümergemeinschaft im Rahmen der Rangklasse 2 gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG; über einen evtl. Beitritt ist vom Vollstreckungsgericht erst nach Vorliegen des Verkehrswertes zu entscheiden; |
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einer Entscheidung über einen Einstellungsantrag des Schuldners, wenn der betreibende Gläubiger durch den Wert innerhalb 7/10 grundpfandrechtlich gesichert ist (§ 30a Abs. 3 ZVG); |
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Verteilung eines im geringsten Gebot stehenden Gesamtrechts (§ 64 ZVG); |
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Verteilung des Erlöses bei einem Gesamtausgebot (§ 112 Abs. 2 ZVG); |
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einer fiktiven Befriedigung des Erstehers nach § 114a ZVG; |
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Berechnung der Gerichts- und Rechtsanwaltskosten (Nr. 3311, 3312 VV RVG); |
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Entscheidung über einen Schutzantrag nach § 765a ZPO bzgl. der Prüfung, ob eine Grundstücksverschleuderung vorliegt. |
b) Besonderheiten in Teilungsversteigerung
aa) "Verlorener Kostenvorschuss"
Rz. 155
Die meisten Gerichte machen die Beauftragung eines Sachverständigen von der Zahlung eines Vorschusses durch den Antragsteller abhängig (§ 17 Abs. 3 GKG). Dieser beträgt mitunter einige 1.000 EUR. Es ist in diesem Stadium zudem ungewiss, ob der Antragsteller diesen jemals wieder zurückerhält; dies ist nämlich nur dann der Fall, wenn aufgrund des Zuschlags das Meistgebot vom Ersteher gezahlt wird. Nur dann erhält derjenige, der den Vorschuss geleistet hat, diesen auch wieder im Rahmen eines sog. Teilungsplans zurück. Wenn also kein Versteigerungsverfahren stattfindet bzw. der Zuschlag nicht erteilt wird, ist der Vorschuss daher verloren. Folge: Der Antragsteller bleibt auf seinen Kosten sitzen!
Rz. 156
Hinweis
Um sich den Kostenvorschuss zu ersparen, besteht auch im Teilungsversteigerungsverfahren die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu gewähren. Allerdings spielt hier die Grundbuchbelastung eine wichtige Rolle. Denn ist das Grundstück so hoch belastet, dass aller Voraussicht nach niemand ein Gebot abgibt, so ist der Antrag wegen Mutwilligkeit abzulehnen.
Rz. 157
Tipp
Aus der Sicht des "lauernden" Antragsgegners, der beabsichtigt, dem Verfahren beizutreten, ist anzuraten, den Beitritt erst dann zu erklären, wenn das Gericht einen Sachverständigen durch Beschluss beauftragt hat. Grund: Der Antragsgegner kann n...