Rz. 476
Oftmals ersteigern Gläubiger das betreffende Versteigerungsobjekt, um es dann eventuell selbst zu nutzen. Ein Gläubiger, der im Versteigerungstermin Gebote abgibt, um eventuell dadurch den "Preis" durch andere Mitinteressenten in die Höhe zu treiben, muss stets die Regelung des § 114a ZVG im Auge haben. Hiernach gilt der Ersteher, der selbst zur Befriedigung aus dem Grundstück berechtigt ist, insoweit als befriedigt, als sein Anspruch bei einem Meistgebot, das 7/10 des nach § 74a Abs. 5 ZVG festgesetzten Grundstückswertes ausmacht, gedeckt sein würde. Anders ausgedrückt: Der Schuldner wird so gestellt, als hätte das Meistgebot 7/10 des Grundstückswertes erreicht. Damit soll verhindert werden, dass ein persönlicher Gläubiger nur an die untere Wertgrenze heranbietet, somit das Objekt in der Versteigerung günstig erwirbt und den nicht gedeckten Teil seiner Forderung weiterhin gegen den Schuldner bzw. Bürgen geltend machen kann. Die Forderung ist diesbezüglich somit erloschen.
Rz. 477
Beispiel
Das Gericht setzt den Verkehrswert auf 200.000,00 EUR fest. Folgende Belastungen sind aus dem Grundbuch ersichtlich: Grundschuld in Höhe von 100.000,00 EUR für Gläubiger III/1; Grundschuld zu 50.000,00 EUR für Gläubiger III/2. Das Verfahren wird von III/1 bestrangig betrieben. Im Termin gibt III/2 ein Meistgebot von 100.000,00 EUR ab und erhält hierauf den Zuschlag.
Die 7/10-Grenze des Verkehrswerts beträgt 140.000,00 EUR. Bei diesem fingierten abgegebenen Gebot erhielte III/2 auf seine Forderung 40.000,00 EUR. Insoweit gilt er nach § 114a ZVG als befriedigt.
Nicht befriedigt hingegen ist er mit seinem ausfallenden Betrag von 10.000,00 EUR. Diesbezüglich kann er weiterhin gegen den Schuldner bzw. einen Bürgen vorgehen.
Rz. 478
Die Befriedigungsfiktion gilt zudem bei verdeckter Vollmacht (§ 81 Abs. 3 ZVG), ebenso wenn ein Strohmann anstelle des zur Befriedigung Berechtigten geboten hat.
Im Rahmen dieser Befriedigungsfiktion besteht jedoch keine Bindungswirkung an eine überholte Grundstückswertfestsetzung im Rahmen eines Anrechnungsstreits vor dem Prozessgericht.
Rz. 479
Bei der Abtretung des Rechts aus dem Meistgebot nach § 81 Abs. 2 ZVG ist zu unterscheiden:
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Wenn der Meistbietende innerhalb der 7/10-Grenze liegt und damit der Befriedigungsfiktion unterliegt und seine Rechte an einen Dritten abtritt, gilt ebenfalls die Regelung des § 114a ZVG. Denn als Meistbietender hat er das Grundstück wirtschaftlich gesehen zu einem niedrigen Betrag für sich selbst erworben. Er kann daher – muss aber nicht – eine dem Grundstückswert entsprechende Gegenleistung fordern. |
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Wenn allerdings der Meistbietende außerhalb der 7/10-Grenze liegt und seine Rechte abtritt an einen Gläubiger, der innerhalb der 7/10-Grenze liegt, so findet § 114a ZVG keine Anwendung. |
Zu beachten ist, dass die Regelung des § 114a ZVG für alle Termine Anwendung findet, nicht wie bei §§ 74a, 85a ZVG für den ersten Termin. Nach § 114a S. 2 ZVG bleiben dem Ersteher vorgehende oder gleichrangige Rechte (Zwischenrechte), die erlöschen, unberührt.
Rz. 480
Obwohl die Vorschrift ausschließlich materiell-rechtlichen Inhalt hat und daher lediglich im Zivilprozess bedeutsam ist, wenn der Schuldner vom Gläubiger über die Befriedigungswirkung des § 114a ZVG in Anspruch genommen wird, hat sie dennoch eine gewisse Bedeutung für das Zuschlags- und Verteilungsverfahren. Denn mit der Wirksamkeit des Zuschlags tritt die Befriedigungswirkung ein. Sie hat demnach die gleiche Wirkung wie eine Zahlung und hat somit eine fiktive Erfüllungswirkung hinsichtlich der im Verteilungstermin nach der Rangfolge des § 10 ZVG zu berücksichtigenden Ansprüche.