Rz. 169
Gem. § 74a Abs. 5 S. 3 ZVG ist der Verkehrswertbeschluss mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Hierunter ist jede Erklärung eines Beteiligten zu verstehen, mit der dieser gegenüber dem Gericht zu erkennen gibt, dass er eine sachliche Überprüfung des zu niedrig bzw. zu hoch festgesetzten Verkehrswertes anstrebt. Die Frist beginnt mit der wirksamen Zustellung des Verkehrswertfeststellungsbeschlusses (§ 329 ZPO). Bei nicht erfolgter Zustellung beginnt die Frist fünf Monate nach Verkündung des Beschlusses. Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist nur möglich, wenn diese zugelassen ist.
Rz. 170
Anfechtungsberechtigt ist jeder der in § 9 ZVG genannten Beteiligten (vgl. auch Rdn 12–17). Hierunter fallen nicht Mieter bzw. Pächter des Grundstücks. Dieser Personengruppe fehlt das Rechtschutzbedürfnis, denn ihnen steht kein Befriedigungsrecht aus dem Versteigerungserlös zu. Gleiches gilt in der Versteigerung eines Erbbaurechts, denn dieses bleibt stets an erster Rangstelle gemäß §§ 10 Abs. 1, 25 ErbbauVO bestehen, ebenso bei sicherer Deckung der in § 10 Abs. 1 Nr. 1–3 ZVG genannten Gläubiger. Nicht berechtigt ist hingegen der Erbbauberechtigte bei der Versteigerung des Erbbaurechts-Grundstücks.
Rz. 171
Abzulehnen ist die Ansicht, dass ein Beschwerderecht nur dann in Betracht komme, wenn durch einen Berechtigten ein erfolgreicher Zuschlagsversagungsantrag nach § 74a ZVG gestellt werden könne. Zum einen übersieht diese Meinung die Bedeutung der Regelung des § 74a ZVG, die zum Zeitpunkt der Entscheidung zwar noch gar nicht existierte, die aber eingeführt wurde, um für alle Beteiligten ein wirtschaftlich untragbares Ergebnis zu vermeiden. Darüber hinaus erfolgt die Verkehrswertfestsetzung regelmäßig vor (selten in) dem Versteigerungstermin, also zu einem Zeitpunkt, zu dem eine Zuschlagsversagungsberechtigung nach § 74a Abs. 1 ZVG noch gar nicht mit Sicherheit abzuschätzen ist.
Rz. 172
Auch und gerade dem Schuldner steht ein sofortiges Beschwerderecht zu. Dieses kann grundsätzlich auch mit dem Ziel einer Herabsetzung des Verkehrswerts erfolgen, wenn daran im Einzelfall ein Rechtsschutzinteresse besteht. Denn dem Schuldner kann daran gelegen sein, dass es nicht zu einem weiteren Versteigerungstermin in den Fällen der §§ 74a Abs. 1, 85a Abs. 1 ZVG kommt. Bei einem weiteren Termin würden dann in Folge des Nichtmehr-Geltens der 5/10- und 7/10-Grenze die Gefahr einer Grundstücksverschleuderung gegeben sein. Hiergegen könnte sich der Schuldner nur im Rahmen der Ausnahmeregelung des § 765a ZPO zur Wehr setzen.
Rz. 173
Dem Schuldner ist sein Beschwerderecht nicht zu versagen, wenn dieser zuvor dem gerichtlich bestellten Sachverständigen den Zutritt zum Versteigerungsobjekt untersagt hat. Der Schuldner kann die für falsch gehaltene Wertfestsetzung nur mit diesem Rechtsmittel überprüfen lassen. Wird nämlich der Wertfestsetzungsbeschluss formell rechtskräftig, kann eine Anfechtung oder Versagung des Zuschlags gem. § 74a Abs. 5 S. 4 ZVG nicht darauf gestützt werden, dass der Grundstückswert falsch festgesetzt sei. Die rechtliche Bewertung dieses Verhaltens des Schuldners ist einer Sachprüfung durch das Beschwerdegericht vorbehalten. Dieses muss daher im Rahmen der Begründetheit entscheiden, welche Folgen an die verweigerte Innenbesichtigung geknüpft werden dürfen. Gegebenenfalls muss es darüber hinaus prüfen, ob der Verkehrswert auch im Hinblick auf die Innenausstattung des Objekts verfahrensfehlerfrei geschätzt worden ist.
Ausgeschlossen ist die Anfechtung des Wertfestsetzungsbeschlusses durch den Schuldner jedoch dann, wenn diese erst im Zuschlagsverfahren bzw. nach Zuschlagserteilung erfolgt, da das Wertfestsetzungsverfahren als besonderes Verfahren mit eigenem Rechtsmittelzug ausgestaltet ist, sodass Mängel im Rahmen der eigenständigen Anfechtung des Festsetzungsbeschlusses erfolgen müssen.
Rz. 174
Der Festsetzungsbeschluss erwächst nicht in materieller Rechtskraft. Ändern sich daher die tatsächlichen Verhältnisse, die zu einer Wertfestsetzung geführt haben, so führt dies in jeder Verfahrenslage zu einer Anpassungspflicht durch das Vollstreckungsgericht. Erfolgt dies nicht, so liegt hierin ein Zuschlagsversagungsgrund nach § 83 Nr. 5 ZVG. Dies gilt allerdings nicht, wenn im ersten Termin das Meistgebot nicht 7/10 des rechtskräftig festgesetzten Grundstückswertes erreicht und daher der Zuschlag nach § 74a Abs. 1 S. 1 ZVG versagt wird. In dem sodann stattfindenden weiteren Versteigerungstermin fehlt dann das Rechtsschutzbedürfnis für eine Anpassung des festgesetzten Wertes an veränderte Umstände. Dies ergibt sich aus dem "Grundsatz der Einmaligkeit" der Regelungen §§ 74a, 85a ZVG.