Dr. iur. Holger Bremenkamp
Rz. 71
Macht der Patient Aufklärungsversäumnisse geltend, so trägt grundsätzlich der Arzt die Beweislast dafür, dass er seiner Aufklärungspflicht genügt hat. Da der ärztliche Heileingriff nach herrschender Meinung als Körperverletzung anzusehen ist, die nur bei wirksamer Einwilligung gerechtfertigt ist, hat der Arzt die Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung nachzuweisen, also die ordnungsgemäße und umfassende Aufklärung des Patienten vor der Behandlung. Allerdings dürfen an die dem Arzt obliegende Beweisführung der ordnungsgemäßen Aufklärung keine unbilligen und übertriebenen Anforderungen gestellt werden: Gefordert wird eine verständnisvolle und sorgfältige Abwägung der tatsächlichen Umstände des konkreten Einzelfalls, wobei dem Tatrichter ein erheblicher Freiraum zusteht. Einer ordnungsgemäßen und zeitnah erstellten ärztlichen Dokumentation der Aufklärung ist grundsätzlich Glauben zu schenken, es sei denn, sie enthält auffällige Einschübe oder Nachträge, die nicht hinreichend erklärt werden können.
Rz. 72
Dem Arzt steht der Beweis eines ordnungsgemäßen Aufklärungsgesprächs aber auch dann offen, wenn schriftliche Aufzeichnungen über die Aufklärung im Krankenblatt oder eine von dem Patienten unterzeichnete Einwilligungserklärung fehlen. § 630h Abs. 2 BGB stellt allein auf die ordnungsgemäße Aufklärung (§ 630e BGB) und nicht auch auf deren ordnungsgemäße Dokumentation (§ 630f Abs. 2 S. 1 BGB) ab, aus medizinischer Sicht ist – anders als bei Behandlungsmaßnahmen – eine Dokumentation regelmäßig nicht erforderlich. Kann sich die Behandlungsseite nicht mehr an das individuelle Aufklärungsgespräch erinnern, so spricht das grundsätzlich nicht gegen eine ordnungsgemäße Aufklärung. Ausreichend ist, dass der Arzt in nachvollziehbarer Weise die übliche Vorgehensweise bei der Aufklärung vor einer solchen Operation schildert und zugleich bekräftigt, er sei sich sicher, dass dieses Programm immer eingehalten worden sei.
Rz. 73
Allein die Aushändigung eines Merkblatts bzw. die formularmäßige Bestätigung eines Aufklärungsgesprächs genügt im Regelfall zu dessen Nachweis nicht, soweit das Formular lediglich pauschal und nicht konkret auf den Einzelfall bezogen die Risiken der Behandlung beschreibt. Ein Aufklärungsformular sollte daher durch stichwortartige individuelle Einträge ergänzt werden; das gilt umso mehr, als § 630f Abs. 2 BGB ausdrücklich die Dokumentation auch der Aufklärungen vorschreibt, also die Aufzeichnung ihres wesentlichen Inhalts und jedenfalls etwaiger Besonderheiten, die im Einzelfall bedeutsam werden können. Ist bereits einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht, etwa durch ein vom Patienten unterzeichnetes Aufklärungsformular, so tendiert die höchstrichterliche Rechtsprechung dazu, dem Arzt im Zweifel zu glauben, dass die Aufklärung auch im Einzelfall in der gebotenen Weise geschehen ist. Um letzte Zweifel auszuräumen, kommt auch eine von Amts wegen anzuordnende Parteivernehmung des Arztes in Betracht: So muss der Arzt regelmäßig selbst gehört werden, wenn trotz entsprechender Dokumentation Aufklärungszweifel bleiben. Indizwirkung hat der unterzeichnete Aufklärungsbogen sowohl in positiver wie in negativer Richtung: Für darin aufgeführte Risiken kann davon ausgegangen werden, dass eine Aufklärung stattgefunden hat, für nicht aufgeführte dagegen nicht.