I. Verletzung einer Auskunftspflicht
Rz. 35
Derjenige, der behauptet, ein Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer habe ihn durch eine fehlerhafte Auskunft geschädigt, hat für einen Schadensersatzanspruch zunächst darzulegen und – gem. § 286 ZPO – zu beweisen, dass der Rechtsberater ihm ggü. eine vertragliche Auskunftspflicht – gemäß den vorstehenden Ausführungen (vgl. Rdn 3 ff.) – übernommen und diese Pflicht verletzt hat, indem er eine falsche oder unvollständige Auskunft erteilt hat. Unter besonderen Umständen kann auch gegen eine Pflicht, eine nachträglich falsch gewordene Auskunft zu berichtigen, verstoßen worden sein.
Die Darlegungs- und Beweislast für diese anspruchsbegründenden Voraussetzungen trägt gemäß den allgemeinen Regeln (vgl. § 4 Rdn 13 ff.) derjenige, der die Schlechterfüllung eines Auskunftsvertrages behauptet und deswegen Schadensersatz verlangt. Soweit geltend gemacht wird, der Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer habe eine gebotene Mitteilung unterlassen, wird die Darlegungs- und Beweislast des Geschädigten für eine solche negative Tatsache dadurch gemildert, dass zunächst der Rechtsberater im Einzelnen darzulegen hat, in welcher Weise er die behauptete Mitteilung vorgenommen haben will (vgl. § 4 Rdn 18 ff.).
Da ein Anleger für einen Schadensersatzanspruch zu beweisen hat, dass ein Anlagevermittler den Auskunftsvertrag durch ungenügende Risikoaufklärung schlecht erfüllt hat, hat der Anleger auch seine Behauptung zu beweisen, er habe vom Vermittler keinen Anlageprospekt mit Risikohinweisen erhalten. Gleiches gilt für die Behauptung der nicht rechtzeitigen Übergabe des Prospektes. Die mit dem Nachweis der negativen Tatsache der fehlenden Prospektübergabe verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die behauptete fehlende Übergabe substanziiert bestreiten muss. Im Regelfall geschieht dies durch die Darlegung, wann und unter welchen Umständen der Prospekt übergeben wurde.
Hat ein Anlagevermittler die gebotene Plausibilitätsprüfung eines Emissionsprospekts unterlassen und den Anlageinteressenten darüber nicht aufgeklärt (vgl. Rdn 29), trägt der Vermittler die Darlegungs- und Beweislast bzgl. der Frage, ob er bei einer Plausibilitätsprüfung Mängel des Prospekts hätte erkennen müssen. Will der Vermittler behaupten, er hätte Fehler des Prospekts auch bei einer hypothetischen Plausibilitätsprüfung nicht entdecken können, so erhebt er den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens (vgl. § 5 Rdn 81 ff.).
II. Verschulden
Rz. 36
Steht die Verletzung der Auskunftspflicht eines Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers fest, so ist von einem Verschulden (§ 276 BGB) des Rechtsberaters auszugehen, sodass dieser sich zu entlasten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Eine formularmäßige Haftungsfreistellung, die sich auf die vertragliche Hauptpflicht zur richtigen und vollständigen Auskunft erstreckt, benachteiligt den anderen Partner des Auskunftsvertrages unangemessen und ist gem. § 307 BGB unwirksam.
Der XI. Zivilsenat des BGH hat in einem Fall, in dem eine Bank ihren Kunden im Rahmen eines Beratungsvertrages nicht darüber aufgeklärt hatte, dass sie Rückvergütungen aus der empfohlenen Kapitalanlage des Kunden erhielt, entschieden, dass ein vorsätzliches Organisationsverschulden der Bank vorliegt, wenn diese ihre Verpflichtung zur Aufklärung des Kunden gekannt oder zumindest für möglich gehalten hat (bedingter Vorsatz) und es dennoch bewusst unterlassen hat, ihre Anlageberater anzuweisen, die Kunden entsprechend aufzuklären. Mit Rücksicht auf § 282 BGB a.F. (jetzt § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.) trägt die Bank die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie insoweit nicht vorsätzlich gehandelt hat; dies gilt auch dann, wenn ein Schadensersatzanspruch wegen fahrlässiger Pflichtverletzung bereits nach § 37a WpHG verjährt ist.
Eine Bank, die einen Kunden im Rahmen einer Anlageberatung nicht über ihre zugeflossenen Rückvergütungen aufklärt, kann sich mit Rücksicht auf die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung jedenfalls nach 1990 nicht auf einen – ein Verschulden ausschließenden – unvermeidbaren Rechtsirrtum über eine entsprechende Aufklärungspflicht berufen.