Rz. 24
Ein eigenständiger Vertrag eines Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers, einen Anlageinteressenten bzgl. einer Kapitalanlage zu beraten, kann eine (echte) berufstypische Vereinbarung oder ein (unechter) berufsuntypischer Vertrag sein (vgl. § 1 Rdn 136, 161 ff., § 2 Rdn 1 f.).
Rz. 25
Ein Rechtsberater kann eine Anlageberatung auch als unselbstständige Verpflichtung im Rahmen eines Vertrages übernehmen, der überwiegend einen anderen Gegenstand hat; der Inhalt der Pflicht zur Anlageberatung ändert sich dadurch nicht. Andererseits kann ein gesonderter Auskunfts- und/oder Anlageberatungsvertrag zusätzlich zu einem bereits bestehenden Anwalts- oder Steuerberatungsvertrag geschlossen werden.
In jedem Fall hat ein Rechtsberater dann die Pflichten eines Anlageberaters zu erfüllen. Ein Anlageberater hat ggü. dem Anlageinteressenten grds. weiter gehende Pflichten als ein Anlagevermittler. Er hat dem Interessenten die für die Anlageentscheidung bedeutsamen Tatsachen mitzuteilen und diese – über eine Plausibilitätsprüfung hinaus – fachkundig zu bewerten. Bzgl. des Anlageobjekts muss der Anlageberater rechtzeitig, richtig, sorgfältig, für den Kunden verständlich und vollständig beraten. Diese Beratung muss besonders differenziert und fundiert sein, weil dem unabhängigen individuellen Anlageberater weitreichendes persönliches Vertrauen entgegengebracht wird. Insb. hat er den Interessenten über diejenigen Eigenschaften und Risiken des Anlageobjekts zu unterrichten, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Eine solche Entscheidung kann der Interessent sachgerecht nur aufgrund von Informationen treffen, die ein zutreffendes Bild der empfohlenen Anlage bieten. Art und Umfang der Beratungspflicht des Anlageberaters richten sich entscheidend nach den Umständen des Einzelfalls. Häufig wünscht der Interessent eine auf seine Verhältnisse zugeschnittene Beratung. Unterlässt es der Anlageberater, die empfohlene Kapitalanlage mit üblichem kritischem Sachverstand zu prüfen, hat er den Interessenten darauf hinzuweisen; das Unterlassen einer solchen Prüfung kann aber nur zu einer Haftung des Anlageberaters führen, wenn bei dieser Prüfung ein Risiko erkennbar geworden wäre, über das der Interessent hätte aufgeklärt werden müssen, oder wenn erkennbar geworden wäre, dass eine Empfehlung der Anlage nicht anleger- und/oder objektgerecht ist.
Rz. 26
Der regelmäßig weite Pflichtenkreis eines Anlageberatungsvertrages erstreckt sich im Kern darauf, richtige und vollständige Auskunft über das Anlageobjekt und den Kapitalsuchenden zu geben. Der regelmäßig sachunkundige Anlageinteressent, der die Anlageberatung meistens zu vergüten hat, soll durch die Beratung einschließlich der gebotenen Auskünfte in die Lage versetzt werden, eigenverantwortlich Vor- und Nachteile sowie Risiken einer Anlage abzuwägen und sich zu entscheiden.
Zur Erfüllung seiner Vertragspflichten hat ein Anlageberater sich aktuelle Informationen über das Anlageobjekt zu verschaffen, auch durch Auswertung von Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse; er kann selbst Publikationsorgane auswählen, solange er nur über ausreichende Informationsquellen verfügt. Die Pflicht des Anlageberaters, den Anlageinteressenten über die tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu unterrichten, die für dessen Anlageentschluss bedeutsam sind, kann durch rechtzeitige Übergabe eines Projektprospekts erfüllt werden, wenn dieser nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln. Gibt die einschlägige Wirtschaftspresse dem Anlageberater keinen Anlass, an der Seriosität der an einer Kapitalanlage Beteiligten zu zweifeln, braucht dieser Berater insoweit keine weiteren Nachforschungen anzustellen.
Rät ein Anlageberater einem Anlageinteressenten zu einer Kommanditbeteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds, hat er grds. darauf hinzuweisen, dass ein solcher Anteil nur eingeschränkt veräußert werden kann, weil ein entsprechender Markt fehlt. Berät ein Anlageberater einen Anlageinteressenten über eine diesem bisher unbekannte Anlageform (Medienfonds) und steht das Absicherungskonzept im Mittelpunkt der Beratung, ist dem Interessenten ein richtiger Eindruck von der Sicherheit und den Risiken der Anlage zu vermitteln, auch wenn der Interessent grundlegende Kenntnisse hat und eine "chancenorientierte" Anlagestrategie verfolgt. Ein Anlageberater verletzt seine Vertragspflicht, wenn er einem Anlageinteressenten, den er nach der von ihm verwendeten Klassifizierung als "konservativ" hätte einstufen müssen, eine Beteiligung an einem Aktienfonds empfiehlt, die nach dieser Klassifizierung als "gewinnorientiert" bewertet ist.
Eine Bank hat Anlageinteressenten im Rahmen von Beratungsverträgen über Rückvergütungen unabhängig von deren Höhe aufzuklären.
Ein freier Anlageberater hat den Erwerber einer von ihm empfohlenen Anlage unaufgefordert über ...