Rz. 10
Schließt jemand einen Auskunftsvertrag bewusst, kennt er das Haftungsrisiko. Diese Kenntnis fehlt dem Auskunftgeber i.d.R., wenn er aus der maßgeblichen Sicht des Auskunftempfängers durch schlüssiges Verhalten einen solchen Vertrag eingeht.
Nach der Rechtsprechung des BGH kann der "stillschweigende" Abschluss eines Auskunftsvertrages zwischen Geber und Empfänger der Auskunft anzunehmen sein, wenn diese für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und dieser sie zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will. Dies gilt insb. in Fällen, in denen der Auskunftgeber für die Erteilung der Auskunft besonders sachkundig ist oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt; solche Umstände sind jedoch nur Indizien, die in die Würdigung der gesamten Gegebenheiten des Einzelfalles einzubeziehen sind. Entscheidend für den Abschluss eines Auskunftsvertrages durch schlüssiges Verhalten ist es, ob die Gesamtumstände des konkreten Falles mit Rücksicht auf Verkehrsanschauung und -bedürfnis den Rückschluss zulassen, dass beide Teile nach dem objektiven Inhalt ihrer Erklärungen – jeweils aus der Sicht des anderen – die Auskunft zum Gegenstand vertraglicher Rechte und Pflichten gemacht haben.
Weitere Anhaltspunkte für einen solchen Vertragsschluss können – außer der Sachkunde und/oder einem eigenen wirtschaftlichen Interesse des Auskunftgebers – sein:
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Zusicherungen nach Art einer Garantieübernahme, |
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das Versprechen, Angaben des Geschäftspartners des Auskunftempfängers zu prüfen, |
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die Einschaltung des Auskunftgebers in Vertragsverhandlungen auf Verlangen des Auskunftempfängers oder als unabhängige neutrale Person |
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sowie eine bereits bestehende andere Vertragsbeziehung zwischen Auskunftgeber und -empfänger. |
Ob ein vertraglicher Verpflichtungswille vorliegt, ist mithin nach den allgemeinen Abgrenzungskriterien zwischen Gefälligkeit und vertraglicher Bindung zu entscheiden. Eine außerrechtliche Gefälligkeit liegt bei einer Inanspruchnahme eines Rechtsberaters nur selten vor. So können mündliche Auskünfte über Rangrücktrittsvereinbarungen und den Unternehmenswert aufgrund der wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung der Angelegenheit nicht als eine bloße Gefälligkeit des Beraters angesehen werden, sondern sind als zusätzliche vertragliche Auskünfte zu werten, auf deren Richtigkeit der Mandant vertrauen darf.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze haftete ein Steuerberater wegen telefonischer Mitteilungen außerhalb seines Steuerberatungsvertrages aufgrund eines "stillschweigend" geschlossenen Auskunftsvertrages, der einem beschränkten Mandat gleichstand. Im Rahmen eines solchen Vertrages hat ein Steuerberater seinen Mandanten auch vor steuerlichen Fehlentscheidungen außerhalb seines Mandats zu warnen, wenn sie ihm bekannt oder für einen durchschnittlichen Berater auf den ersten Blick ersichtlich sind und der Berater Grund zu der Annahme hat, dass sich der Auftraggeber der ihm drohenden Nachteile nicht bewusst ist. Das gilt insb. dann, wenn die Gefahr Interessen des Auftraggebers betrifft, die in engem Zusammenhang mit dem beschränkten Auftragsgegenstand stehen (vgl. § 1 Rdn 56 ff., § 2 Rdn 16 ff.). Diese Warnpflicht war im Streitfall verletzt worden, weil der Steuerberater – außerhalb seiner steuerlichen Vertragsarbeit – in einem Telefongespräch seinen Mandanten eine unvollständige Auskunft darüber erteilt hatte, ob bei Veräußerung einer Eigentumswohnung ein zu versteuernder Gewinn infolge Minderung des Einstandspreises um Abschreibungen anfällt.