Rz. 51
Die Voraussetzungen des – von Amts wegen zu prüfenden – Einwands des schadensursächlichen Mitverschuldens (§ 254 BGB) sind vom Schädiger zu beweisen (vgl. § 6 Rdn 34).
Rz. 52
Dieser Einwand eines Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers ist ggü. einem Mandanten regelmäßig dann unbegründet, wenn die Verhütung des entstandenen Schadens nach dem Vertragsinhalt dem in Anspruch genommenen Rechtsberater allein oblag. Deswegen kann grds. dem geschädigten Auftraggeber kein Mitverschulden angerechnet werden, weil er eine Gefahr, zu deren Vermeidung er einen Fachmann hinzugezogen hat, bei genügender Sorgfalt selbst hätte erkennen und abwenden können. Dies gilt i.d.R. auch im Verhältnis eines Rechtsanwalts zu einem rechtskundigen Mandanten. Ein anrechenbares Mitverschulden kommt allerdings in Betracht, wenn eine Schadensursache im Bereich der Eigenverantwortung des Geschädigten entstanden ist und dieser diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die nach der Sachlage erforderlich erschien, um sich selbst vor Schaden zu bewahren (vgl. § 6 Rdn 17 ff.).
Rz. 53
Diese Grundsätze gelten auch im Verhältnis zwischen einem Rechtsberater, der eine fehlerhafte Auskunft erteilt hat, und demjenigen Partner eines Auskunftsvertrages, der im Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft geschädigt worden ist. Nach dem Inhalt des Auskunftsvertrages ist es im Allgemeinen Sache des Rechtsberaters, den Vertragspartner vor den Schäden zu warnen, die im Schutzbereich der übernommenen Auskunftspflicht liegen. Deswegen kann dem Geschädigten i.d.R. kein Mitverschulden mit der Begründung vorgeworfen werden, er habe der Auskunft vertraut und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt. Das gilt insb. dann, wenn der Geschädigte die Auskunft des Rechtsberaters wegen dessen Sachkunde eingeholt hat.
Rz. 54
Bei Verletzung einer Auskunftspflicht wird ein Mitverschulden des Geschädigten regelmäßig nur dann in Betracht kommen, wenn er dieselbe Sachkunde und Erkenntnismöglichkeit hat wie der Auskunftspflichtige.
Ausnahmsweise kann dem Geschädigten ein Mitverschulden vorgeworfen werden, wenn er
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der Auskunft blindlings vertraut hat, ohne gebotene weitere Ermittlungen anzustellen; |
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sich mit einer erkennbar unvollständigen Auskunft begnügt hat; |
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Warnungen von dritter Seite oder differenzierende Hinweise des anderen Teils nicht genügend beachtet hat oder im Hinblick auf die Interessenlage, in der die Partner in vertragliche Beziehungen zueinander getreten sind, besondere Umstände nicht berücksichtigt hat; |
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seinen Berater über eine fundierte abweichende Auskunft, welche er von einer anderen sachkundigen Person erhalten hat, nicht unterrichtet; |
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dem Versprechen einer auch für Unkundige auffällig hohen Rendite vertraut hat. |
Ein Anleger ist regelmäßig nicht verpflichtet, zur Schadensminderung den Emissionsprospekt auf Widersprüche zu den Angaben des Anlageberaters einer Bank zu untersuchen und seinen Fondsbeitritt rechtzeitig zu widerrufen.
Die zur Notarhaftung ergangene Entscheidung des III. Zivilsenats vom 10.11.2016 befasst sich auch mit der Problematik des Mitverschuldens des Geschädigten. Die hierzu – in Bestätigung ständiger Rechtsprechung – angeführten Grundsätze lassen sich auch auf das Recht der Anlageberatung und Anlagevermittlung übertragen.