A. Allgemeines
Rz. 1
Nach der Vorschrift des § 675 Abs. 2 BGB, die im Wesentlichen § 676 BGB a.F. entspricht, haftet derjenige, der einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, grds. nicht für einen Schaden, der aus der Befolgung seiner Erklärung entsteht, es sei denn, dass er für eine Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit aufgrund eines Vertragsverhältnisses – einem solchen steht das Schuldverhältnis der Vertragsverhandlungen i.S.d. § 311 Abs. 2 BGB gleich –, einer unerlaubten Handlung (§§ 823 ff. BGB; vgl. § 15 Rdn 1 ff., 128) oder einer sonstigen Gesetzesbestimmung (z.B. §§ 15 Abs. 6, 37b, 37c WpHG a.F.) verantwortlich ist.
Unter diese Vorschrift fällt – als "Minus" ggü. Rat und Empfehlung – auch eine Auskunft; diese betrifft die Mitteilung eines Umstandes, der einem anderen als Entscheidungsgrundlage dient (vgl. Rdn 3 ff.).
Rz. 2
Eine vertragliche Auskunftspflicht kann unselbstständiger Teil des Pflichtenkreises eines Vertrages sein, der entweder eine andere Hauptleistung – z.B. einen Kaufvertrag oder Bankvertrag – betrifft oder auf eine Hauptleistung gerichtet ist, die über eine bloße Auskunftspflicht hinaus geht, wie etwa bei einem selbstständigen Beratungsvertrag mit einem Rechtsberater (vgl. Rdn 3) oder Anlageberater (vgl. Rdn 23 ff.).
Andererseits kann eine Auskunftspflicht auf einem selbstständigen Auskunftsvertrag – möglicherweise neben einem anderen Vertrag derselben Personen – beruhen, dessen Gegenstand die Erteilung einer richtigen und vollständigen Auskunft ist (vgl. Rdn 5 ff.).
B. Auskunft im Rahmen eines Rechtsberatervertrages
Rz. 3
Hat sich ein Rechtsberater (Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder eine Gesellschaft dieser Berufskreise) ggü. dem Auftraggeber verpflichtet, aufgrund eines Dienstvertrages (§§ 611, 675 Abs. 1 BGB) die Interessen seines Mandanten wahrzunehmen oder gemäß einem Werkvertrag (§§ 631, 675 Abs. 1 BGB) durch fachliche Arbeit den vereinbarten Erfolg herbeizuführen (vgl. § 1 Rdn 5 ff.), erstreckt sich eine Ersatzpflicht wegen Schlechterfüllung eines solchen Vertrages auf Schäden des Mandanten infolge einer falschen oder unvollständigen Auskunft, die der Rechtsberater i.R.d. Vertragserfüllung abgegeben hat (vgl. Rdn 41 ff.; vgl. auch §§ 666, 675 Abs. 1 BGB).
Ein solcher Vertrag kann Schutzwirkung zugunsten eines Dritten haben, der auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der anwaltlichen Auskunft vertraut; wird der Dritte durch die fehlerhafte Auskunft geschädigt, kann ihm ein eigener Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsberater zustehen (vgl. Rdn 22), z.B. bei einem Abschlussprüfer-(Wirtschaftsprüfer) vertrag oder Gutachtenvertrag (vgl. § 10 Rdn 34 ff., 50 ff.).
C. Vertragliche Auskunft gegenüber Dritten ("Nichtmandanten")
Rz. 4
Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder deren Gesellschaften können Dritten, die keine Mandanten des Rechtsberaters sind und aus dessen Vertrag mit dem Auftraggeber kein Recht herleiten können, auf vertraglicher Grundlage haften, wenn solche Dritte im Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit einer tatsächlich fehlerhaften Auskunft geschädigt werden.
I. Auskunftsvertrag als Rechtsgrundlage
Rz. 5
Die Rechtsprechung stützt die Auskunftshaftung – in Ausfüllung des Vorbehalts des § 675 Abs. 2 BGB – i.d.R. auf ein "Vertragsverhältnis" zwischen Geber und Empfänger der Auskunft.
Rz. 6
Das RG hatte zuletzt für die Auskunftshaftung nicht mehr darauf abgestellt, ob Geber und Empfänger der Auskunft Vertragsbeziehungen herstellen wollten, sondern hatte es genügen lassen, dass sie miteinander Verbindung aufgenommen hatten und dies nach der bürgerlichen Rechtsordnung als vertraglich anzusehen war. Diese Rechtsprechung unterstellte bei "sozialtypischem Verhalten" einen Auskunftsvertrag auch dann, wenn ein Vertragswille fehlte.
Rz. 7
Der BGH, der sich ursprünglich dieser Rechtsprechung angeschlossen hatte, stützt die Auskunftshaftung inzwischen auf einen übereinstimmenden Vertragswillen der Beteiligten. Danach kommt ein Auskunftsvertrag zustande, wenn der Geber einer Auskunft ggü. deren Empfänger – außerhalb einer an...