Rz. 3

In der Praxis wird bei der Bewerberauswahl auch auf psychologische Eignungsuntersuchungen zurückgegriffen. Die rechtliche Zulässigkeit derartiger Untersuchungen ist noch nicht in jeder Hinsicht geklärt. Richtigerweise wird man aufgabenorientierte Eignungstests, bei denen etwa Bewerber bei Banken auf die sichere Beherrschung der Grundrechenarten oder eine Sekretärin vor der Einstellung auf sichere Schreibweise geprüft werden, für zulässig und sinnvoll erachten. Das eigentliche Problem sind die sog. Persönlichkeitstests. Die Erfinder und Benutzer solcher Persönlichkeitstests geben vor, aus den Antworten des Bewerbers zu einer Vielzahl von Fragen, die zumeist unter Zeitdruck gestellt werden, ein umfassendes Persönlichkeitsbild des Bewerbers erstellen zu können.

I. Individualrechtliche Zulässigkeit psychologischer Tests

 

Rz. 4

Wegen der mit der Durchführung eines psychologischen Eignungstests verbundenen Gefährdung des verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechts bedarf es für deren Zulässigkeit ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Durchführung im Hinblick auf die zu besetzende Stelle. Es ist grds. die vorherige ausdrückliche Einwilligung des Bewerbers erforderlich (BAG v. 16.9.1982, AP Nr. 42 zu § 123 BGB = DB 1983, 270). Voraussetzung für eine rechtswirksame Einwilligung ist, dass der Bewerber über die beabsichtigten Tests bzw. Verfahren sowie darüber informiert worden ist, welche Merkmale (Eigenschaften bzw. Verhaltensweisen) durch den Test ermittelt werden sollen. Außerdem darf sich der Test nur auf solche persönlichen Merkmale erstrecken, die für das beabsichtigte Arbeitsverhältnis unmittelbar von Bedeutung sind (vgl. Franzen, NZA 2013, 1), wie Leistung (z.B. manuelle Geschicklichkeit, Konzentrationsfähigkeit), Verhalten (z.B. Kontaktfähigkeit) und Intelligenz, soweit sie arbeitsbezogen ist (z.B. Verstehen von Bedienungsanleitungen; vgl. Hunold, DB 1993, 224).

 

Rz. 5

Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. So dürfte etwa die Durchführung umfangreicher psychologischer Tests bei der Vergabe einer wenig qualifizierten Arbeitsstelle unverhältnismäßig und daher unzulässig sein.

II. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

 

Rz. 6

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates greift bei der Durchführung von psychologischen Eignungstests gem. § 94 Abs. 1 BetrVG dann ein, wenn die Äußerungen des Bewerbers zwecks späterer Auswertung schriftlich festgehalten werden (Fitting//SchmidtTrebinger/Linsenmaier/Schelz, 31. Aufl. 2022, § 94 Rn 26). Dies dürfte in der betrieblichen Praxis die Regel sein.

 

Rz. 7

Sofern die in dem psychologischen Eignungstest gewonnenen Erkenntnisse mittels allgemeiner Beurteilungsgrundsätze verwertet werden, greift zusätzlich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gem. § 94 Abs. 2 BetrVG ein (vgl. Hunold, DB 1993, 224).

 

Rz. 8

Ob dagegen auch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 95 Abs. 1 BetrVG (Auswahlrichtlinie) infrage kommt, hängt von der Gewichtung der Testergebnisse durch den Arbeitgeber bei seiner Auswahlentscheidung ab. Sofern der Arbeitgeber einen Bewerber allein aufgrund des Ergebnisses des psychologischen Eignungstests auswählt, ist das Mitbestimmungsrecht gem. § 95 Abs. 1 BetrVG gegeben, weil dann der psychologische Test als Auswahlrichtlinie verwendet wird. Anders ist es dagegen, wenn der Arbeitgeber den Test lediglich als ergänzende Hilfe einsetzt, seine personalpolitische Entscheidung somit – wie im Regelfall – auf eine Vielzahl von Erwägungen und nicht nur auf die Ergebnisse einer psychologischen Eignungsuntersuchung stützt. Dann unterliegt die Entscheidung des Arbeitgebers nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates.

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