Rz. 30

Durch das erste Justizmodernisierungsgesetz wurde die Möglichkeit eingeführt, dass eine schriftliche Begutachtung durch eine Verwertung eines gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem anderen Verfahren ersetzt werden kann (§ 411a ZPO).

Das verfahrensfremde Gutachten wird nicht im Wege des Urkundenbeweises verwertet. Vielmehr handelt es sich um einen Sachverständigenbeweis, so dass die Vorschriften der §§ 402 ff. ZPO Anwendung finden. Insbesondere bleibt das Recht der Parteien auf Ablehnung des Sachverständigen (§ 406 ZPO) oder auf Ladung des Sachverständigen (§ 411 Abs. 3, 4 ZPO) unberührt. Es besteht keine Verpflichtung des Gerichts, Gerichtsgutachten aus anderen Verfahren zu verwerten. § 411a ZPO räumt dem Gericht insoweit ein Ermessen ein.

 

Rz. 31

Bei der Verwertung verfahrensfremder Gutachten muss darauf geachtet werden, dass bei Gutachten, die in anderen Verfahren erstattet wurden, unter Umständen abweichende Beweisregeln zur Anwendung gelangten.

 

Rz. 32

Im Sozialrecht gelten beispielsweise höhere Anforderungen an die Kausalität als im Zivilrecht.[49]

Während im Zivilrecht die Adäquanztheorie gilt, wonach alle Schäden, die für einen optimalen Beobachter nicht völlig unwahrscheinlich sind, als adäquat verursacht gelten,[50] gilt im Sozialrecht die Theorie der wesentlichen Bedingungen. Durch die Lehre von der wesentlichen Bedingung sollen Mitursachen eines Verletzungserfolges ausgeschaltet werden, für die der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung noch nicht einzustehen hat. Hierfür greift man auf das Wesentlichkeitskriterium zurück. Unwesentliche Ursachen werden durch den Begriff der Gelegenheitsursache ausgesondert (siehe auch Rn 66).[51]

 

Rz. 33

Gutachten, die im Strafverfahren erstattet wurden, sind regelmäßig von der Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" geprägt. Es werden regelmäßig die für den Beschuldigten günstigsten Daten angesetzt, sofern sich exakte Parameter nicht ermitteln lassen.[52]

[50] Vgl. BGHZ 3, 261 ff.
[51] Vgl. im Einzelnen Ziegert, DAR 1994, 257 sowie Burmann/Heß/Jahnke/Janker/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, vor § 249 BGB Rn 15 ff.
[52] Vgl. auch Born, in: Berz/Burmann/Heß, Kap 3B, Rn 177.

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