Rz. 92

Das Verfahren in Versorgungsausgleichssachen wird durch drei Prinzipien geprägt: Es handelt sich um eine einfache Familiensache (also nicht um eine Familienstreitsache i.S.d. § 112 FamFG), sodass das gesamte FamFG einschließlich des gesamten ersten Buches anzuwenden ist. Mit der Ehesache und anderen für den Fall der Scheidung geltend gemachten Familiensachen steht der Versorgungsausgleich in einem zwingenden Verhandlungs- und Entscheidungsverbund (§ 137 Abs. 2 Nr. 1 FamFG), der allerdings unter wesentlich einfacheren Voraussetzungen aufgelöst werden kann als nach dem früheren Recht, und schließlich unterliegt das Verfahren in Versorgungsausgleichssachen dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG), sodass die für die Entscheidung maßgebenden Tatsachen vom Gericht zu ermitteln sind.

I. Einordnung als einfache Familiensache

 

Rz. 93

Die Versorgungsausgleichssachen gehören nicht zu den in § 112 FamFG genannten Familienstreitsachen, sondern sind einfache Familiensachen (auch als FG-Familiensachen bezeichnet). Das entspricht der Klassifizierung des früheren Rechts. Die Einordnung hat zur Folge, dass auf die Versorgungsausgleichssachen das FamFG in seiner Gesamtheit Anwendung findet, einschließlich aller Regelungen des Allgemeinen Teils, die in Ehesachen und Familienstreitsachen nicht gelten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG).

 

Rz. 94

Lediglich soweit der Zusammenhang im Verhandlungs- und Entscheidungsverbund mit einer Ehesache das bedingt, werden die Regelungen des Allgemeinen Teils durch für die Ehesache geltende Regelungen überformt und verdrängt. Bei der alleinigen Anwendung des Allgemeinen Teils bleibt es dagegen in abgetrennten und isolierten Versorgungsausgleichsverfahren, soweit nicht ausnahmsweise in den §§ 217 ff. FamFG Sonderregeln enthalten sind.

II. Verbundprinzip

 

Rz. 95

Der Versorgungsausgleich gehört zu den im Verbund mit der Scheidung zu verhandelnden und zu entscheidenden Folgesachen (§ 137 Abs. 2 Nr. 1 FamFG), wenn der Ausgleich im Zusammenhang mit der Scheidung geklärt werden muss oder soll.

1. Begründung und Inhalt des Verbunds

 

Rz. 96

Bei den im Verbund stehenden Verfahren kann es sich regelmäßig nur um den Ausgleich bei der Scheidung betreffende Verfahren handeln, weil nur dieser bereits zwingend im Scheidungsverfahren durchzuführen ist (Verfahren nach §§ 10 bis 17 VersAusglG).

 

Rz. 97

Der Ausgleich nach der Scheidung (§§ 20 bis 26 VersAusglG) findet dagegen erst nach dem Eintritt des Versorgungsfalles aufseiten des Versorgungsberechtigten und dem Eintritt ähnlicher ­Voraussetzungen aufseiten des Ausgleichsberechtigten statt (§ 20 VersAusglG). Er zeichnet sich gerade dadurch aus, dass der Versorgungsausgleich noch nicht bei der Scheidung durch die Teilung der Anwartschaft intern in demselben System oder extern in einem anderen Leistungssystem ein Ausgleich stattfinden kann. Es kann deswegen nur Ausnahmekonstellationen geben, in welchen schon bei einer Scheidung die Voraussetzungen für einen Ausgleich nach der Scheidung gegeben sein werden, sodass dieser Ausgleich im Verbund mit entschieden werden kann.

 

Rz. 98

Der Versorgungsausgleich bei der Scheidung nach §§ 10 bis 17, 28 VersAusglG steht immer im Zwangsverbund; d.h. die Ehe darf grds. nicht geschieden werden, ohne dass gleichzeitig über den Versorgungsausgleich entschieden wird, selbst wenn kein dahin gehender Antrag der Eheleute gestellt wird (§ 137 Abs. 2 Satz 2 FamFG). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Versorgungsausgleich durch Ehevertrag wirksam ausgeschlossen wurde (§§ 6 bis 8 VersAusglG). Zu beachten ist, dass es in Ausnahmefällen zu einem Zwangsverbund erst dann kommt, wenn ein Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs gestellt wurde. Das sind die Fälle des Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB und die Fälle des Ausgleichs, wenn die Ehe nur von kurzer Dauer (unter drei Jahre) war (§ 3 Abs. 3 VersAusglG). In diesen Fällen kommt das Verfahren zwar erst durch den Antrag zustande; wenn dieser aber gestellt wurde, fällt das Verfahren zwingend in den Verbund.

 

Rz. 99

Ausnahmsweise kann es aber auch zu nicht im Verbund stehenden Verfahren über den Ausgleich bei der Scheidung kommen, nämlich, wenn der Versorgungsausgleich im Zusammenhang mit der Aufhebung einer Ehe erfolgt (§§ 1314 ff. BGB), wenn zuvor eine Scheidung im Ausland ohne Regelung des Versorgungsausgleichs erfolgt ist oder wenn im Inland geschieden wurde, ohne dass es zu einem Versorgungsausgleichsverfahren gekommen ist (Hauptfall: fehlender Antrag nach Art. 17 Abs. 3 EGBGB). Der Ausgleich nach der Scheidung (§§ 20 ff. VersAusglG, vgl. § 9 Rdn 1 ff.) ist regelmäßig ebenso ein nicht im Verbund stehendes Verfahren wie alle Verfahren über die Abänderung von Entscheidungen (§§ 225 f. FamFG) wie die Verfahren in Bezug auf die Anpassung nach Rechtskraft (§§ 33 f. VersAusglG). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Anpassung wegen Unterhalts bereits im Verfahren über den Ausgleich bei der Scheidung verlangt wird, weil schon zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen dafür vorliegen.[22]

 

Rz. 100

Die Einbeziehung des Versorgungsausgleichs in den Verbund bedeutet v.a., dass die Versorgungsausgleichss...

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