Rz. 173

Die Aussetzung von Verfahren in Versorgungsausgleichssachen kommt zunächst nach den allgemeinen Vorschriften in Betracht, v.a. nach den §§ 21 und 136 FamFG. Eine Aussetzungsnotwendigkeit nach § 21 FamFG wurde v.a. im Fall der Startgutschriften-Problematik für rentenferne Jahrgänge bei der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes angenommen. Dieses Problem schien nach der Neuregelung der Startgutschriften erledigt.[56] Nachdem der BGH aber im Jahr 2016 die Neuregelung ebenfalls als verfassungswidrig beanstandet hat,[57] droht wiederum eine Blockade von Verfahren, in denen Anrechte aus der Zusatzversorgung auszugleichen sind. Die Ehegatten können das durch eine Vereinbarung vermeiden.[58] Der Versorgungsausgleich kann dann auf der Basis der Berechnung der Startgutschrift nach dem vom BGH beanstandeten Satzungsrecht öffentlich-rechtlich ausgeglichen werden. Sofern die Neuberechnung der Startgutschrift zu einer Erhöhung des Ehezeitanteils führen, könnte diese Erhöhung hälftig schuldrechtlich ausgeglichen werden. Der Ausgleichsmehrbetrag betreffend die Startgutschrift wird erst dann fällig, wenn dieser dem Versorgungsbezieher ausgezahlt wird.

 

Rz. 174

Eine besondere Aussetzungsmöglichkeit für Versorgungsausgleichssachen enthält § 221 Abs. 2 und 3 FamFG. Nach § 221 Abs. 2 FamFG hat das Gericht das Verfahren auszusetzen, wenn ein Rechtsstreit über Bestand oder Höhe eines in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechts anhängig ist. Das soll verhindern, dass es zu abweichenden Entscheidungen in beiden Verfahren kommt. Bei welchem Gericht das in den Versorgungsausgleich einzubeziehende Anrecht streitbefangen sein muss, richtet sich nach der Rechtsnatur des Anrechts: Es kann sich um ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit handeln (z.B. in Bezug auf Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung), um ein VG (z.B. in Bezug auf Beamtenversorgungen), um ein ArbG (z.B. bei bestimmten betrieblichen Altersversorgungen) oder um ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit (z.B. bei Lebensversicherungen).

 

Rz. 175

Zu beachten ist aber, dass nicht jeder Streit über ein Versorgungsanrecht in die Zuständigkeit eines dieser Fachgerichte fällt: Soweit die Höhe eines Ehezeitanteils eines Anrechts im Streit ist, hat das seine Ursache gerade in der sozial-, beamten-, arbeitsrechtlichen oder versicherungsvertraglichen Rechtslage und muss deswegen zur Zuständigkeit des insoweit berufenen Fachgerichts führen, sodass die Aussetzungskonstellation des § 221 Abs. 2 FamFG gegeben ist. Wird dagegen nicht über die Höhe der in der Ehezeit erworbenen Anrechte gestritten, sondern vielmehr über die vom Versorgungsträger nach § 5 VersAusglG vorgenommene Bewertung des Ehezeitanteils, des Ausgleichswerts oder des korrespondierenden Kapitalwerts, darf das FamG das Verfahren nicht aussetzen, um die Klärung dieser Fragen durch die Fachgerichte zu ermöglichen, sondern muss vielmehr selbst entscheiden. Das ergibt sich für den Ausgleichswert und den korrespondierenden Kapitalwert ausdrücklich aus § 5 Abs. 3 VersAusglG. Da die Bewertung der Anrechte eine insoweit vorgelagerte Frage ist, muss für diese das Gleiche gelten.

 

Rz. 176

Ist das Verfahren vor dem Fachgericht bereits anhängig, muss das FamG das Verfahren in der Versorgungsausgleichssache aussetzen, wenn diese bei ihm anhängig wird (§ 221 Abs. 2 FamFG). Ist das Verfahren beim Fachgericht noch nicht anhängig, kann das FamG das Verfahren aussetzen und einem oder beiden Ehegatten eine Frist zur Erhebung der Klage beim Fachgericht setzen (§ 221 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Erfolgt die Klageerhebung innerhalb der Frist (oder später, aber vor Abschluss des familienrichterlichen Verfahrens), muss dann nach § 221 Abs. 2 FamFG ausgesetzt werden. Wird die Klage vor dem Fachgericht dagegen nicht oder nicht rechtzeitig erhoben, kann das Gericht das Vorbringen unberücksichtigt lassen, das mit der Klage hätte geltend gemacht werden können (§ 221 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Die Verpflichtung des Gerichts zur Amtsermittlung (§ 26 FamFG) ist durch diese Sonderregelung eingeschränkt. Ob das Gericht weitere Ermittlungen vornimmt, muss es nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden.

 

Rz. 177

Die Aussetzung ist eine Zwischenentscheidung,[59] die einen Stillstand des Verfahrens bewirkt. Das ausgesetzte Verfahren muss weitergeführt werden, wenn der Aussetzungsgrund wegfällt, wenn also der andere Rechtsstreit beendet ist.

 

Rz. 178

Der Beschluss, mit dem die Aussetzung angeordnet wird, ist mit der sofortigen Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO anfechtbar. Der ablehnende Beschluss kann dagegen nur mit der Hauptsacheentscheidung zusammen angefochten werden.

[57] BGH FamRZ 2016, 902.
[58] Hauß, FamRB 2016, 238 f.

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