Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 29
Ob ein Vorbehaltsurteil außerdem nur dann ergehen darf, wenn der Erbe wegen einer reinen Nachlassverbindlichkeit verurteilt wird, und das Gericht dies folglich vor Erlass des Vorbehaltsurteils prüfen muss, wird unterschiedlich beurteilt. Die Frage ist richtiger Ansicht nach aber zu bejahen.
Hinweis
Kommt das Gericht bei dieser vorzunehmenden Prüfung zu dem Schluss, dass es sich – zumindest auch, wie bei Nachlasserbenschulden – um eine Eigenverbindlichkeit des Erben handelt, kommt ein Vorbehalt einer beschränkten Erbenhaftung nach § 780 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht. Der Erbe wird ohne Vorbehalt verurteilt:
Der Beklagte wird verurteilt, ….
Will der Erbe seine Haftungsbeschränkungsmöglichkeit für diese Forderung nicht unwiederbringlich verlieren, so muss er Rechtsmittel hiergegen einlegen.
Rz. 30
Die Rechtsprechung des BGH stellt sich wie folgt dar:
Jedenfalls dann, wenn das Gericht sein Ermessen dahingehend ausübt, schon im Erkenntnisverfahren über die Haftungsbeschränkung abschließend zu entscheiden, so muss es auch entscheiden, ob es sich bei der eingeklagten Schuld um eine reine Nachlassverbindlichkeit handelt, da nur bejahendenfalls eine Haftungsbeschränkung möglich ist.
Übt das Gericht sein Ermessen dahingehend aus, im Erkenntnisverfahren zumindest über die Frage zu entscheiden, ob es sich um eine reine Nachlassverbindlichkeit handelt, so wird über diese Frage verbindlich entschieden. Verweigert das Gericht den Ausspruch eines Vorbehaltes mit der Begründung, es handele sich bei der eingeklagten Schuld nicht um Verbindlichkeit, bezüglich derer eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass möglich ist, muss der Erbe Rechtsmittel hiergegen einlegen, wenn er seine Haftungsbeschränkungsmöglichkeit für diese Forderung nicht unwiederbringlich verlieren will. Das Rechtsmittelgericht muss die Frage sodann entscheiden.
cc) Aber auch ein Vorbehaltsurteil darf nach § 780 BGB nur ergehen, wenn der Erbe als Prozesspartei wegen einer reinen Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 Abs. 2 BGB) in Anspruch genommen wird.
Beschränkt sich das Gericht also auf die Einrede des Erben auf die Aufnahme eines Vorbehaltes, so erwachsen Ausführungen zur Frage, ob die eingeklagte Schuld eine reine Nachlassverbindlichkeit, bezüglich derer eine Haftungsbeschränkung möglich ist, darstellt, für die Vollstreckungsabwehrklage in Bindungswirkung (sog. Präjudizialität). Sie können damit wegen Tatsachenpräklusion in deren Rahmen nicht (neu) entschieden werden. Dies folgt aus der Rechtskraftwirkung gem. § 322 Abs. 1 ZPO des den Vorbehalt aussprechenden Urteils. Gegen eine nochmalige Prüfung der Art der Verbindlichkeit im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage spricht auch die durch § 780 Abs. 1 ZPO bewirkte Funktionsteilung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren mit der bezweckten Entlastung des Erkenntnisverfahrens von der regelmäßig zeitaufwändigen Klärung des Umfangs der Haftung des Erben, insbesondere der Zusammensetzung des Nachlasses. Ein Angriff auf die Art der Verbindlichkeit bedeutet immer gleichzeitig auch einen mit dem Rechtsfrieden stiftenden Zweck der Rechtskraft unvereinbaren unmittelbaren Angriff auf die Rechtsfolge.
Die Einordnung einer Verbindlichkeit als reine Nachlassverbindlichkeit ist nicht bloß gemeinsame Vorfrage ohne präjudizielle Bedeutung im Folgeprozess, sondern sie ist Rechtsfolge des Erkenntnisverfahrens in Form des ausgesprochenen Vorbehalts mit materieller Bedeutung für die Möglichkeit der materiellrechtlichen Haftungsbeschränkung auf den Nachlass gem. §§ 1973 ff. und 1989 ff. BGB. Daher ist der Kläger durch einen zugunsten des Beklagten erfolgten Ausspruch des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung nach § 780 Abs. 1 ZPO regelmäßig beschwert. Die sich daraus für die Klägerseite durch den Ausspruch des Vorbehalts beschränkter Erbenhaftung ergebende Beschwer kann auch in der Rechtsmittelinstanz beseitigt werden.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Gericht ein Vorbehaltsurteil erlässt, obwohl ein Vorbehalt nach § 780 Abs. 2 ZPO entbehrlich war. In einem solchen Fall erwachsen evtl. Ausführungen, dass es sich um (reine) Nachlassverbindlichkeiten handelt, nicht in Bindungswirkung für die Vollstreckungsabwehrklage; eine solche Bindung ergibt sich in diesem Fall weder aus § 318 ZPO noch aus § 322 ZPO. Der Kläger, der sich gegen die Aufnahme eines Vorbehaltes in das Urteil wendet, ist in einem solchen Fall nicht beschwert, sodass der BGH die Revision als unzulässig angesehen hat.