Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 16
Wird der passivlegitimierte Erbe von einem Nachlassgläubiger verklagt, so muss er sich im Erkenntnisverfahren bereits die Einrede der beschränkten Erbenhaftung vorbehalten. Nur so erhält er sich die Möglichkeit, die Haftungsbeschränkung in der Zwangsvollstreckung gemäß §§ 781, 785, 767 ZPO geltend zu machen.
I. Ausnahmsweise Haftungsbeschränkungsmöglichkeit ohne Vorbehalt möglich
Rz. 17
Ausnahmsweise kann sich der Erbe in der Zwangsvollstreckung auf eine Haftungsbeschränkung auch ohne Erwirken eines Vorbehaltes berufen.
Hinweis
Ergibt sich allerdings die Chance hierzu, ist aus Gründen anwaltlicher Vorsicht gleichwohl zu raten, deklaratorisch einen Vorbehalt aufnehmen zu lassen.
Bei Titeln, aus denen sich eindeutig ergibt, dass sie nur zur Vollstreckung in den Nachlass tauglich sind, braucht es keinen Vorbehalt.
Solche Fälle sind ausdrücklich in § 780 Abs. 2 ZPO genannt: der Fiskuserbe, § 1936 BGB, bei Verurteilung eines Nachlassverwalters, Nachlasspflegers oder Testamentsvollstreckers als Partei kraft Amtes sowie über den Wortlaut hinaus bei Verurteilung eines Nachlassinsolvenzverwalters.
Rz. 18
Darüber hinaus braucht es keinen Vorbehalt,
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bei Individualansprüchen wie Ansprüche auf Herausgabe, Übereignung oder Duldung der Zwangsvollstreckung in Nachlassgegenstände, |
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bei einer Gesamthandsklage gegen Miterben gemäß § 2059 Abs. 2 BGB; denn aus einem solcherart erwirkten Urteil kann nur in den Nachlass vollstreckt werden, oder |
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wenn die Verurteilung bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 2060 BGB nur anteilig erfolgt, |
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bei der Festsetzung der Vergütung des Nachlasspflegers. |
Hinweis
Liegen die Voraussetzungen für § 2060 BGB erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Erkenntnisverfahren vor, so ist ein Vorbehalt erforderlich, damit der Erbe gegen eine Vollstreckung, die über seinen Anteil hinausgeht, mit der Vollstreckungsabwehrklage nach §§ 785, 767 ZPO vorgehen kann.
Rz. 19
Ergab sich bisher für den Erben nicht die Möglichkeit, die Einrede der beschränkten Erbenhaftung zu erheben, so braucht es auch keinen Vorbehalt, um sich das Recht der Haftungsbeschränkung zu sichern.
Das ist zum einen der Fall,
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wenn der Titel noch gegen den Erblasser erwirkt wurde, |
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bei Vollstreckung aus der Insolvenztabelle und |
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nach h.M. beim Klauselumschreibungsverfahren nach § 727 ZPO. |
Hinweis
Die Ansicht geht darauf zurück, dass der Schuldner im Rahmen der Klauselumschreibung nicht angehört wurde. Nach neuerer BGH-Rechtsprechung ist der Schuldner aber vor Klauselerteilung zu hören. Zumindest wenn dies geschieht, ist aus Gründen anwaltlicher Vorsicht dringend anzuraten, die Einrede der beschränkbaren Erbenhaftung zu erheben und auf Aufnahme eines Vorbehaltes zu drängen.
Bei der Klauselumschreibung durch Klauselerteilungsklage gemäß § 731 ZPO entspricht dieses Vorgehen schon heute der h.M.
Rz. 20
Schließlich ist nach der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass es im Steuerfestsetzungsverfahren keines Vorbehaltes bedarf.
Hinweis
Einen Sonderfall stellen die § 102 SGB XII und § 34 SGB II dar. Hier ist die Haftung zwar kraft Gesetzes auf den Nachlass beschränkt, § 102 Abs. 2 SGB XII bzw. § 34 Abs. 2 SGB II. Dies allerdings rein wertmäßig. Eine Vollstreckung in das Eigenvermögen bleibt möglich. Soll es möglich bleiben, diese zu verhindern, braucht es einen Vorbehalt.
Ähnlich auch, wenn der Erbe als Zustandsverantwortlicher in Anspruch genommen wird; auch hier ist die Haftung auf den Verkehrswert des sanierten Grundstücks sowie auf den Wert des Nachlasses beschränkt. Wird der Erbe als Rechtsnachfolger wegen Haftung des Erblassers aus BBodSchG in Anspruch genommen, so gelten die allgemeinen Regeln.