Rz. 23
Beschließt die Erbenmehrheit in Ausübung der ordnungsgemäßen Verwaltung ein Verfügungsgeschäft, z.B. die Übereignung eines verkauften Bildes, ist es umstritten, ob auch hier die Mehrheit der Miterben die überstimmte Minderheit der Miterben nach außen vertreten kann.
Rz. 24
Beispiel
Ein in einem zum Nachlass gehörigen Haus wohnender Mieter zahlt einige Zeit seine Mietschulden nicht. Die Mehrheit der Miterben beschließt, diesem Mieter fristlos zu kündigen; der Minderjährige, vertreten durch seine Eltern, ist dagegen.
Rz. 25
Das Verhältnis von § 2038 zu § 2040 BGB ist umstritten. Eine Meinung lehnt ein gesetzliches Vertretungsrecht der Mehrheit bezüglich der Minderheit, das für Verpflichtungsgeschäfte im Rahmen des § 2038 BGB anerkannt ist, für Verfügungsgeschäfte ab; es müssen nach dieser Ansicht gemäß § 2040 BGB alle Miterben an der Verfügung mitwirken, also im Beispiel gemeinsam die Kündigung aussprechen. Die überstimmten Miterben, die dies nicht freiwillig tun, müssen notfalls auf Zustimmung verklagt werden, wobei das Urteil gemäß § 894 ZPO deren Zustimmung nach außen ersetzt, also bei der Kündigung dem Mieter mitgeteilt wird.
Demgegenüber befürwortet die hier vertretene, mittlerweile herrschende Gegenansicht eine gesetzliche Vertretungsmacht der Mehrheit der Miterben (ebenso wie bei Verpflichtungsgeschäften; siehe Rdn 15) für die überstimmte Minderheit, soweit es um Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses geht, auch bei Verfügungsgeschäften, wie hier der Kündigung.
Rz. 26
Der BGH hat die neuere Auffassung der Lehre zwischenzeitlich gebilligt.
Ob man der erstgenannten Meinung folgt oder der weitaus praktikableren hier vertretenen Ansicht: Wenn sich ein Minderjähriger unter den Miterben befindet, tauchen bei den Verfügungsgeschäften dieselben Probleme auf wie bei Verpflichtungsgeschäften, soweit es um familiengerichtliche Genehmigungen geht. Es wird auf Rdn 14 ff. verwiesen.
Handelt es sich um Beschlüsse einer Erbenmehrheit im Rahmen der ordnungsgemäßen (= laufenden) Verwaltung des Nachlasses, bedarf es weder bei Verpflichtungs- noch bei Verfügungsgeschäften einer familiengerichtlichen Genehmigung, wenn sich unter den Miterben ein minderjähriger Miterbe befindet (siehe Rdn 13 ff.). Dieses Ergebnis wird auch durch die genehmigungsfreie Notgeschäftsführung unterstrichen (siehe Rdn 28 ff.).
Rz. 27
Beispiel
Ein Minderjähriger ist Mitglied einer Erbengemeinschaft. Der Minderjährige wird durch einen Vormund vertreten. Die Mehrheit der Miterben will im Nachlass befindliche Wertpapiere veräußern, um mit dem Erlös Nachlassschulden zu bezahlen. Der Vormund stimmt dem bei der Beschlussfassung in der Erbengemeinschaft nicht zu.
Hinsichtlich des (schuldrechtlichen) Kaufvertrages und der Übertragung der Wertpapiere als einem Verfügungsgeschäft vertritt die Erbenmehrheit die Erbenminderheit kraft Gesetzes. Es erübrigt sich also die für beide Rechtsgeschäfte nach §§ 1799 Abs. 1, 1849 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2 BGB erforderliche Zustimmung des Familiengerichts.