Ansgar Beckervordersandfort, Kim Vanessa Steinbrink
Rz. 103
Das Stimmrecht stellt das wichtigste Instrument des Gesellschafters bei der internen Willensbildung der Gesellschaft dar. Der geschäftsunfähige Minderjährige ist bei der Stimmabgabe stets durch den gesetzlichen Vertreter zu vertreten. Für einen beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen besteht jedoch unter Umständen auch die Möglichkeit sein Stimmrecht selbst auszuüben, sofern er gem. § 107 BGB durch die Stimmabgabe einen lediglich rechtlichen Vorteil erlangt oder die Stimmabgabe für ihn rechtlich neutral ist.
Rz. 104
Die Eltern können als Mitgesellschafter jedoch aufgrund eines gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Stimmrechtsausschluss von der Stimmrechtsabgabe ausgeschlossen sein. Hier kommen insbesondere die § 34 BGB, § 47 Abs. 4 GmbHG, § 136 Abs. 1 AktG in Betracht.
Rz. 105
Ein solcher Stimmrechtsausschluss eines Elternteils wirkt sich jedoch entgegen dem Schutzzweck des §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 BGB nicht auf den anderen Elternteil aus, da es sich bei einem Stimmrechts-ausschluss aufgrund Interessenkollision um einen Konflikt zwischen den Interessen der Gesellschaft und dem Sonderinteresse eines Gesellschafters handelt.
Der gesetzliche Vertreter kann jedoch auch nach §§ 1629 Abs. 2, 1795, 181 BGB von der Vertretung des Minderjährigen ausgeschlossen sein.
Rz. 106
Der § 181 BGB ist dabei grds. auch auf Gesellschafterbeschlüsse und die entsprechende Stimmrechtsabgabe anwendbar. Dies gilt insbesondere für Grundlagenbeschlüsse (z.B. Änderungen des Gesellschaftsvertrages, Umstrukturierungen, Auflösung der Gesellschaft), welche die Grundlagen des Gesellschaftsverhältnisses und das Verhältnis der Gesellschafter untereinander betreffen, sodass sich die betroffenen Gesellschafter als Geschäftspartner gegenüberstehen. Bei gewöhnlichen Gesellschafterbeschlüssen (Beschlüsse, welche die Geschäftsführung oder die laufenden gemeinsamen Gesellschaftsangelegenheiten betreffen) steht hingegen die verbandsinterne Willensbildung nach § 705 BGB im Vordergrund, sodass es hierbei allein auf die Verfolgung des gemeinsamen Gesellschaftszwecks ankommt. Die Rechtsprechung und die damit einhergehende Meinung der Literatur will damit ein Gleichgewicht zwischen dem Schutzbedürfnis des Minderjährigen und dem Interesse der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft herstellen.
Rz. 107
Die Anwendbarkeit des § 181 BGB wird darüber hinaus jedoch stets bejaht, wenn es um Beschlüsse geht, die die Rechtsverhältnisse der gesetzlichen Vertreter selbst betreffen. Hier liegt ein klassischer Fall des Selbstkontrahierungsverbotes des § 181 BGB vor, welches ein erhöhtes Schutzbedürfnis zur Vermeidung von Interessenskonflikten erfordert.
Für die Beschlussfassung in der Hauptversammlung einer AG soll der § 181 BGB im Hinblick auf den § 135 AktG hingegen unanwendbar sein, sodass hier der Minderjährige stets durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten werden kann.
Rz. 108
Die Anwendung des § 181 BGB wird durch die gesellschaftsrechtlichen Stimmrechtsausschlüsse nicht ausgeschlossen oder überlagert. Es besteht insoweit kein Konkurrenzverhältnis, da sich die Stimmverbote auf Interessenkonflikte zwischen dem Gesellschaftsinteresse und dem Gesellschafter beziehen, während der § 181 BGB allein auf das Verhältnis des Vertretenen und des Vertreters und das damit verbundene Schutzbedürfnis abstellt.
Rz. 109
Die Genehmigungsbedürftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen richtet sich nach §§ 1643 Abs. 1, 1821, 1822 BGB. Eine solche ist aber mangels entsprechenden Tatbestands bei Gesellschafterbeschlüssen und entsprechender Stimmabgabe in der Regel nicht erforderlich.
a) Beschlüsse über Gesellschaftsgrundlagen
Rz. 110
Für Beschlüsse, welche die Grundlagen des Gesellschaftsverhältnisses berühren, findet der § 181 BGB Anwendung, da solche stets das Verhältnis der Gesellschafter u...