Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 95
Alle Verwandten in gerader Linie sind sich gegenseitig zum Unterhalt verpflichtet (§ 1601 BGB). Jedes minderjährige unverheiratete Kind hat gegenüber seinen Eltern einen Anspruch auf Unterhalt, soweit es im Sinne von § 1602 Abs. 2 BGB unterhaltsbedürftig ist. Wenn das Kind mit seinen Eltern in einem Haushalt lebt, wird es freilich kaum jemals zu rechtlichen Problemen wegen des Unterhalts kommen.
Kinder, deren Eltern nach der Scheidung getrennt leben oder deren Eltern niemals miteinander verheiratet waren, haben dagegen häufig Schwierigkeiten, den Unterhalt von dem Elternteil zu erhalten, mit dem sie nicht zusammenleben. Um einheitliche Regeln zu schaffen, wonach minderjährige Kinder von dem Elternteil, mit dem sie nicht in einem Haushalt leben, Unterhalt beanspruchen können, hat der Gesetzgeber den Mindestunterhalt für minderjährige Kinder geschaffen. Nach § 1612a BGB kann ein Kind in solchen Fällen den Unterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts verlangen. Das auf das Kind entfallende Kindergeld ist grundsätzlich zur Hälfte auf den sich ergebenden monatlichen Unterhaltsbetrag anzurechnen (§ 1612b BGB).
Hinweis:
Eine genaue Anleitung zur Berechnung des je nach Alter des Kindes und den Einkommensverhältnissen der Eltern angemessenen Unterhalts finden Sie unter den Rdn 41 ff.
Rz. 96
Auch Ehegatten sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen sich gegenseitig und die Familie angemessen zu unterhalten (§ 1360 BGB). Unterhalt kann auch als Ehegattenunterhalt nach der Scheidung gerichtlich geltend gemacht werden (§§ 1569 ff. BGB). Dies wurde bereits in Rdn 41 ff. behandelt.
Unterhaltssachen sind gemäß § 231 FamFG
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die durch Verwandtschaft begründete gesetzliche Unterhaltspflicht, dies betrifft insbesondere Kinder, |
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die durch Ehe begründete Unterhaltspflicht und |
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Unterhaltsansprüche der Mutter eines gemeinsamen Kindes, die nicht mit dessen Vater verheiratet ist. |
Rz. 97
Der Gegenstandswert eines solchen Verfahrens bestimmt sich nach § 51 Abs. 1 FamGKG. Für die Feststellung der Unterhaltspflicht ist höchstens der Jahresbetrag des geforderten Unterhalts anzusetzen (§ 51 Abs. 1 S. 1 FamGKG). Es wird so sein, dass für ein Kind in der Zukunft unterschiedlich hohe Monatsbeträge des Unterhalts zu zahlen sind, was sich z. B. aus den Altersstufen des Mindestunterhalts nach § 1612a Abs. 1 S. 3 BGB ergibt. Deshalb ist für die Wertberechnung nur der Unterhalt der ersten zwölf Monate nach Einreichung des Antrags maßgeblich; spätere Erhöhungen des Unterhalts werden also nicht berücksichtigt. Bei Einreichung des Antrags fälliger rückständiger Unterhalt ist dem nach Abs. 1 des § 51 FamGKG ermittelten Jahresbetrag hinzuzurechnen (§ 51 Abs. 2 FamGKG). Beachten Sie, dass Unterhalt monatlich im Voraus zu zahlen ist (§ 1612 Abs. 3 BGB). Wird also der Antrag z. B. am 15. Juni bei Gericht eingereicht, dann ist der Unterhalt für Juni bereits fällig gewesen und damit rückständig. Siehe auch Rdn 41 ff. und § 3 Rdn 104 f.
Rz. 98
Für seine Tätigkeit im Verfahren über den Unterhalt erhält der RA Gebühren nach den Nrn. 3100 ff. VV RVG. Siehe auch Rdn 64 ff., dort finden Sie auch ein Beispiel.
Merke:
Der im Unterhaltsverfahren beauftragte RA erhält die Gebühren der Nrn. 3100 ff. VV RVG.
Gegenstandswert ist höchstens der Jahresbetrag des geforderten Unterhalts der ersten zwölf Monate nach Einreichung des Antrags, zuzüglich beanspruchter fälliger Rückstände.
Beispiel:
RA Meister vertritt die 11-jährige Heidi gegenüber ihrem unterhaltspflichtigen Vater. Er beantragt für Heidi beim Familiengericht die Festsetzung von Unterhalt. Gefordert wird Unterhalt in Höhe von 136 % des jeweiligen Mindestunterhalts nach § 1612a BGB. Das Kindergeld für Heidi beträgt 219,00 EUR (Stand 01.01.2022) und ist nach § 1612b BGB zur Hälfte auf den Barunterhalt anzurechnen. Unterhaltsrückstand wird für 3 Monate geltend gemacht (§ 1613 BGB). Das Familiengericht gibt dem Antrag aufgrund der eingereichten Unterlagen ohne mündliche Erörterung durch Beschluss statt.
Der Gegenstandswert ist nach § 51 Abs. 1 und Abs. 2 FamGKG wie folgt zu berechnen:
Der monatliche Mindestunterhalt für Heidi ergibt sich aus der zweiten Altersstufe gemäß § 1612a Abs. 1 S. 3 Nr. 2 BGB. Der Mindestunterhalt beträgt derzeit 455,00 EUR (Stand 01.01.2022). Weitere Hinweise hierzu finden Sie unter den Rdn 41 ff. Die Berechnung des Unterhalts sieht in diesem Fall dann folgendermaßen aus:
455,00 EUR x 136 : 100 = 618,80 EUR, aufgerundet 619,00 EUR.
Nach Abzug des hälftigen Kindergeldes verbleiben 619,00 EUR – 109,50 EUR = 509,50 EUR.
RA Meister erstellt folgende Vergütungsrechnung:
Gegenstandswert: 7.642,50 EUR