Rz. 23

Als Kindschaftssachen werden vornehmlich Verfahren bezeichnet, welche die Regelung der elterlichen Sorge, des Umgangsrechts mit einem Kind und die Kindesherausgabe zum Gegenstand haben (§ 151 FamFG). Bei der Bewertung von Kindschaftssachen ist zu unterscheiden, ob die Kindschaftssache als

selbstständiges (isoliertes) Verfahren,
als Folgesache im Scheidungsverbund oder
als einstweilige Anordnung

betrieben wird. Je nachdem ist der Verfahrenswert auf unterschiedliche Weise zu bestimmen. Dies wird in den drei folgenden Kapiteln beschrieben.

 

Achtung:

Die vorstehende Definition der Kindschaftssachen in § 151 FamFG steht im Gegensatz zu der bis zum 01.09.2009 gebräuchlichen Definition, welche die Gegenstände umfasste, die jetzt als Abstammungssachen (§ 169 FamFG) bezeichnet werden.

aa) Die Bewertung von Kindschaftssachen im selbstständigen Verfahren

 

Rz. 24

In einer Kindschaftssache im selbstständigen Verfahren, die das elterliche Sorgerecht, das Umgangsrecht, oder die Herausgabe eines Kindes betrifft, beträgt der Verfahrenswert gemäß § 45 FamGKG 4.000 Euro. Dieser Festwert von 4.000 Euro wird für jede einzelne der genannten Kindschaftssachen genommen, solange die Sache nicht in den Scheidungsverbund einbezogen wird. Auch wenn das Familiengericht über mehrere Kinder entscheiden muss, bleibt es bei dem Festwert von 4.000 Euro; er wird nicht erhöht.

Nach § 45 Abs. 3 FamGKG kann das Gericht ausnahmsweise einen höheren oder einen niedrigeren Wert als 4.000 Euro festsetzen, wenn dies nach den besonderen Umständen des Einzelfalles gerechtfertigt ist. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn das Verfahren besonders umfangreich und schwierig ist oder wenn die Eltern nur ein sehr geringes Einkommen beziehen und das Verfahren einfach ist.

 

Hinweis:

Als werterhöhend könnte sich auswirken, wenn umfangreiche Sachverständigengutachten einzuholen sind, mehrere Anhörungstermine stattfinden müssen oder mehrere Kinder auf mehrere Pflegestellen verteilt sind. Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass der Festwert von 4.000 Euro kaum verdoppelt werden wird. Heraufsetzungen des Regelwertes werden allenfalls um 1.000 bis 2.000 Euro vorgenommen. Siehe z. B. den Beschluss des Berliner Kammergerichts vom 03.06.2014 (13 WF 116/14).

 

Beispiel:

Die Eheleute Bitter leben seit einem halben Jahr getrennt. Frau Bitter, die nach Ablauf der gesetzlichen Trennungszeit die Scheidung anstrebt, beauftragt RA Klump, bereits jetzt bei Gericht die Regelung der elterlichen Sorge für ihre drei Kinder zu beantragen, was geschieht. Der Gegenstandswert für diese selbstständige Familiensache bestimmt sich nach § 45 FamGKG und beträgt 4.000,00 EUR.

Herr Bitter lässt nun durch seinen RA die Regelung des Umgangsrechtes beantragen. Der Gegenstandswert auch für diese selbstständige Familiensache beträgt ebenfalls 4.000,00 EUR.

 

Beispiel:

Nach einem Jahr Trennungszeit beantragt RA Dingeldey für Frau Sauer die Scheidung der Ehe. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der Scheidungssache beantragt Herr Sauer, das Umgangsrecht mit seinen vier Kindern gerichtlich zu regeln. Gemäß § 137 Abs. 3 FamFG kann über diesen Antrag nicht mehr im Scheidungsverbund entschieden werden, sodass es sich um eine selbstständige Familiensache handelt:

Der Gegenstandswert für diese selbstständige Familiensache bestimmt sich nach § 45 FamGKG und beträgt 4.000,00 EUR.

 

Rz. 25

Wenn in demselben selbstständigen Verfahren mehrere Kindschaftssachen anhängig sind (z. B. Sorgerecht und Umgangsrecht), dann werden deren Einzelwerte nach § 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG addiert (OLG Bamberg, Beschluss vom 18.10.2018 – 2 UF 139–18).

 

Merke:

In den selbstständigen Kindschaftssachen (Sorgerecht, Umgangsrecht und Kindesherausgabe) beträgt der Festwert für jede Sache in der Regel 4.000 Euro. Bei mehreren Kindern wird dieser Festwert nicht erhöht.

bb) Die Bewertung von Kindschaftssachen als Folgesachen im Scheidungsverbund

 

Rz. 26

Nach § 137 Abs. 3 FamFG können folgende Kindschaftssachen zusammen mit der Scheidung im Scheidungsverbund als Folgesachen anhängig sein: Regelung des Sorgerechts oder des Umgangsrechts, Herausgabe eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten und Regelung des Umgangsrechtes mit einem Kind des anderen Ehegatten. Voraussetzung für die Einbeziehung dieser Sachen in den Verbund ist, dass ein Ehegatte die Einbeziehung in den Verbund vor Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug der Scheidungssache beantragt. Das Familiengericht kann jedoch die Einbeziehung ablehnen, wenn es die Ablehnung aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält.

Nach 44 Abs. 1 FamGKG gelten im Verbund die Scheidungssache zusammen mit den Folgesachen als ein Verfahren. Gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG werden die Werte mehrerer Verfahrensgegenstände in demselben Verfahren und in demselben Rechtszug zusammengerechnet. Damit im Scheidungsverbund der Verfahrenswert für die genannten Kindschaftssachen nicht im Missverhältnis zu der Scheidungssache steht, ist er kein Festwert nach § 45 FamGKG, sondern er ist nach § 44 Abs. 2 S. 1 FamGKG individuell zu berechnen.

 

Anmerkung:

Wäre der Wert der Kindschaftssache auch im Scheidungsverbund ein Festwert von 4.00...

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