Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 18
Die besonderen Wertvorschriften für die Verfahren in Familiensachen sind in den §§ 43 bis 52 FamGKG enthalten. Sie regeln die Ermittlung des Verfahrenswertes bei Sachverhalten, deren Wert sich nicht ohne Weiteres ergibt und deshalb aufgrund einer Wertvorschrift berechnet werden muss.
1. Die Bestimmung des Gegenstandswertes in Ehesachen
Rz. 19
Ehesachen selbst sind nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten. Der Wert des Eheverfahrens bestimmt sich über § 23 Abs. 1 S. 1 RVG nach den §§ 43 und 44 FamGKG.
Die Wertberechnung in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten wird unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen des Gerichts bestimmt (§ 43 Abs. 1 FamGKG). Falls Ihnen diese Formulierung bekannt vorkommt, so liegt das daran, dass Sie eine ähnliche Vorschrift schon bei den Rahmengebühren des § 14 RVG kennen gelernt haben. Wegen der durchzuführenden Überlegungen sei also auch auf § 2 Rdn 111 ff. verwiesen. Jedoch sind diese Überlegungen nicht vollständig übertragbar, sodass im Folgenden insbesondere die Unterschiede dargestellt werden sollen.
Rz. 20
Der Gegenstandswert in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten muss ganz allgemein nach folgendem Schema bestimmt werden, wobei in jedem Einzelfall alle Umstände zu berücksichtigen sind:
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Schema zur Ermittlung des Verfahrenswertes in Ehesachen |
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(1) |
Feststellung eines Ausgangswertes. In Ehesachen ergibt sich dieser im Einzelfall aus dem in den drei Monaten erzielten zusammengerechneten Nettoeinkommen der Eheleute (§ 43 FamGKG). Entscheidend ist das in den letzten drei Monaten vor der Antragstellung von beiden Eheleuten erlangte Nettoeinkommen (§ 34 FamGKG). |
(2) |
Vornahme entsprechender Zu- und Abschläge vom Ausgangswert zur Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles (§ 43 Abs. 1 FamGKG). Siehe hierzu nachstehende Erläuterungen. |
(3) |
Überprüfung, ob der Höchstwert von 1 Million Euro nicht überschritten wird (§ 43 Abs. 2 FamGKG). Nur in den hier zu betrachtenden Ehesachen beträgt der Mindestwert 3.000 Euro (§ 43 Abs. 2 FamGKG). |
Beachten Sie dazu auch die folgenden Erläuterungen:
Zu (1): |
Das Nettoeinkommen der Eheleute wird aus den letzten drei Monaten vor Eingang des Scheidungsantrages berechnet (§ 34 FamGKG). Es werden Einkünfte aus allen Verdienstquellen eingerechnet, also neben Arbeitslohn z. B. auch Mieteinnahmen. Bei Arbeitslohn ist unter Nettolohn der Betrag zu verstehen, der vom Arbeitgeber nach Abzug der Steuern und der Sozialversicherungsbeiträge vom Bruttolohn ausbezahlt wird. Um das für den Verfahrenswert maßgebliche Nettoeinkommen zu erhalten, sind noch einmal Zu- und Abschläge von dem Nettolohn um bestimmte Beträge vorzunehmen:
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So werden nach ganz überwiegender Rechtsprechung wegen der Belastung der Eheleute durch den Kindesunterhalt für jedes Kind Abzüge vorgenommen, wobei viele Gerichte pro Kind monatlich etwa 250 Euro abziehen (so z. B. das OLG Celle, Beschluss vom 17.12.2013 – 12 WF 92/13; OLG Bamberg, Beschluss vom 13.04.2017 – 2 WF 51/17). Andere Gerichte nehmen solche Abzüge in unterschiedlicher Höhe oder überhaupt nicht vor. Neuerdings wird auch von einigen Gerichten der Abschlag wegen der Unterhaltspflicht in Höhe des Tabellenunterhaltsbetrages (Düsseldorfer Tabelle) berechnet. Hinweis:Das den Eltern ausgezahlte Kindergeld wird dem Nettoeinkommen nicht hinzugerechnet (OLG Celle, Beschluss vom 17.12.2013 – 12 WF 92/13). Andere Gerichte behandeln das Kindergeld als Teil des Nettoeinkommens, das heißt, es wird zum Einkommen hinzugerechnet. Allerdings wird es dann als ein Teil der Belastungen durch Kindesunterhalt wieder abgezogen. Siehe z. B. OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.10.2015 – 15 WF 176/15. Dies kann sich jedoch auf den Wert des Versorgungsausgleichs auswirken (siehe dort). Das OLG Köln (Beschluss vom 16.11.2016 – 4 WF 106/15) wiederum berechnet das Kindergeld nicht als Teil des Nettoeinkommens. Obwohl das OLG zugibt, dass in der obergerichtlichen Rechtsprechung die verbreitete Auffassung auftritt, vom Nettoeinkommen einen Abschlag für Unterhaltsbelastungen vorzunehmen, folgt es dieser Auffassung nicht. Das OLG Köln nimmt solche Abschläge nicht vor, mit der Begründung, dass im "Normalfall" aus einer Ehe unterhaltsberechtigte Kinder hervorgehen. In der Praxis werden Sie sich also an der Rechtsprechung "Ihres" Oberlandesgerichts orientieren müssen. |
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Von Urlaubs- und Weihnachtsgeldern ist ein auf die drei Monate entfallender Teilbetrag hinzuzurechnen. Auch z. B. bei Steuerrückzahlungen oder Zinseinnahmen wird so verfahren. Auch dies wird von den Gerichten unterschiedlich gehandhabt. |
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Zu (2): |
Hinsichtlich weiterer Zu- und Abschläge vom Ausgangswert gilt Folgendes:
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Beim Vermögen können übliche Haushaltsgegenstände, kleine Sparguthaben, Mittelklassewagen usw. unberücksichtigt bleiben. Vom verbleibenden – also größeren – Vermögen ziehen viele Gerichte Freibeträge in Höhe von etwa 30.000 Euro für jeden Ehegatten und von etwa 15.000 Euro pro Kind ab und nehmen... | |