Rz. 30

Ist vor einem deutschen Gericht ein Streitgegenstand bereits rechtshängig, so steht einer erneuten Rechtshängigkeit gem. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO der Einwand der früheren Rechtshängigkeit entgegen. Damit hat dasjenige Gericht über den Rechtsstreit zu entscheiden, bei dem der Rechtsstreit früher anhängig gemacht wurde.

Die später bei einem anderen Gericht bzgl. desselben Streitgegenstandes und zwischen denselben Parteien erhobene Klage ist als unzulässig abzuweisen.

 

Rz. 31

Vom BGH wird § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO auch auf den Fall angewandt, dass zwischen den Parteien vor einem ausländischen Gericht ein Verfahren anhängig ist.[28]

Die Rechtshängigkeit der Streitsache vor einem ausländischen Gericht stellt für das deutsche Verfahren also ein Prozesshindernis dar. Es müssen allerdings auch hier folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

Identität der Parteien
Gleicher Streitgegenstand
Vorherige Rechtshängigkeit vor einem ausländischen Gericht
Positive Anerkennungsprognose bezgl. der zu erwartenden ausländischen Gerichtsentscheidung.
 

Rz. 32

Zur Rechtshängigkeit vor einem ausländischen Gericht das OLG Bamberg:[29]

Zitat

1. Die Rechtshängigkeit eines Scheidungsantrags bei einem ausländischen Gericht steht einem entsprechenden Antrag in Deutschland dann entgegen, wenn die Entscheidung des ausländischen Gerichts in Deutschland aller Voraussicht nach anerkannt werden wird.

2. Die Frage der Rechtshängigkeit bei dem ausländischen Gericht ist nach dem für dieses Gericht geltenden Verfahrensrecht zu beurteilen.

3. Die materiellen Voraussetzungen der Anerkennung der Entscheidung des ausländischen Gerichts richten sich nach § 328 ZPO, für Scheidungsurteile modifiziert durch Art. 7 § 1 FamRÄndG.“[30]

Die Frage der Rechtshängigkeit ist von Bedeutung, ob möglicherweise schon vor Rechtskraft eines Scheidungsbeschlusses der überlebende Ehegatte gem. § 1933 BGB sein gesetzliches Erbrecht verloren hat.[31]

[28] BGH FamRZ 1994, 434.
[29] OLG Bamberg FamRZ 2000, 1289. Vgl. auch OLG Oldenburg, Urt. v. 7.3.2006 – 12 UF 125/05, FamRZ 2006, 950. So schon BGH FamRZ 1994, 434 = NJW-RR 1994, 642. BGH in FamRZ 2008, 1409 = NJW-RR 2008, 1169 = FF 2008, 380: Die Scheidung nach mosaischem Recht durch Übergabe des Scheidebriefs (Get) ist eine rechtsgeschäftliche Scheidung (Privatscheidung) und keine Statusentscheidung des Rabbinatsgerichts (Anschluss an Senatsurteil vom 2.2.1994, FamRZ 1994, 434 ff.). Maßstab für die Anerkennung einer solchen ausländischen Privatscheidung ist Art. 17 EGBGB. Bei Geltung deutschen Scheidungsstatuts ist sie im Inland nicht anerkennungsfähig. Die anderweitige Rechtshängigkeit eines Scheidungsverfahrens vor dem Rabbinatsgericht in Israel steht deshalb bei Geltung deutschen Scheidungsstatuts einer Inlandsscheidung nicht entgegen.
[30] Art. 7 § 1 FamRÄndG ist durch das FGG-ReformG vom 17.12.2008 mit Wirkung vom 1.9.2009 ersetzt durch § 107 FamFG.
[31] Für deutsch-liechtensteinische Rechtsverhältnisse vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.10.2011 – 8 W 321/11, juris.

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