Norbert Schneider, Lotte Thiel
A. Überblick
Rz. 1
Einstweilige Anordnungsverfahren nach den §§ 49 ff. FamFG sind gem. § 17 Nr. 4 Buchst. b) RVG gegenüber dem jeweiligen Hauptsacheverfahren eigene Angelegenheiten.
Beispiel 1: Einstweilige Anordnung neben Hauptsache
Der Kindesvater stellt einen Hauptsacheantrag zum Umgangsrecht und beantragt gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Gerichtlich anhängig sind zwei selbstständige Verfahren. Die Verfahrenswerte werden in den jeweiligen Verfahren wie folgt festgesetzt: Hauptsache 3.000,00 EUR; einstweilige Anordnung 1.500,00 EUR.
Im einstweiligen Anordnungsverfahren entstehen jetzt die Gebühren gesondert. Während in der Hauptsache die Gebühren aus dem vollen Wert von 3.000,00 EUR entstehen, fallen im einstweiligen Anordnungsverfahren die Gebühren nur aus dem Wert von 1.500,00 EUR an.
Rz. 2
Eine selbstständige Angelegenheit ist auch dann gegeben, wenn die einstweilige Anordnung von Amts wegen eingeleitet worden ist. Das hat der Gesetzgeber mit dem 2. KostRMoG zum 1.8.2013 klargestellt.
Beispiel 2: Einstweilige Anordnung von Amts wegen
Der Anwalt beantragt für seinen Mandanten beim FamG die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge. Das FamG erlässt daraufhin von Amts wegen eine einstweilige Anordnung nach § 1666 BGB, entzieht beiden Elternteilen die elterliche Sorge und bestellt dem betroffenen Kind einen Vertreter des Jugendamts als Vormund.
Obwohl die einstweilige Anordnung nicht von einem der Beteiligten beantragt worden ist, ist sie eine eigene Gebührenangelegenheit.
Rz. 3
Anordnungs- und Abänderungsverfahren sind dagegen nur eine Angelegenheit (§ 16 Nr. 5 RVG) (siehe Rdn 67 ff.).
Rz. 4
Einstweilige Anordnungen nach § 242 FamFG i.V.m. § 769 ZPO auf Einstellung der Vollstreckung stellen grundsätzlich keine gesonderte Angelegenheit dar. Diese Verfahren werden nicht von § 17 Nr. 4 Buchst. b) RVG erfasst, sondern sind in § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 11 RVG geregelt. Sie gehören mit zum Rechtszug, es sei denn, über den Antrag findet eine gesonderte mündliche Verhandlung statt.
Beispiel 3: Einstweilige Anordnung auf Einstellung der Vollstreckung
Der Anwalt des Ehemannes beantragt Abänderung eines Titels, der ihn zur Zahlung von Ehegattenunterhalt in Höhe von 500,00 EUR verpflichtet. Gleichzeitig wird gem. § 242 FamFG i.V.m. § 769 ZPO beantragt, die Vollstreckung einzustellen. Das FamG entscheidet über den Antrag auf Einstellung der Vollstreckung ohne mündliche Verhandlung.
Der Anwalt erhält für das Verfahren auf Erlass der einstweiligen Anordnung keine gesonderte Vergütung. Die Tätigkeit des Anwalts wird vielmehr durch die Gebühren in der Hauptsache mit abgegolten.
Rz. 5
Findet ausnahmsweise über den Antrag eine gesonderte mündliche Verhandlung statt, dann liegt nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 11 RVG eine gesonderte Angelegenheit vor. Der Anwalt erhält die Gebühren nach den Nrn. 3328, 3332 VV. Der Gegenstandswert wird i.d.R. mit einem Fünftel des Hauptsachewerts angenommen, da mit den Verfahren nicht der Titel angegriffen, sondern lediglich ein zeitweiliger Zahlungsaufschub angestrebt wird. Die Festsetzung des Gegenstandswerts ist auf Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG vorzunehmen, da das Verfahren gerichtsgebührenfrei ist.
Beispiel 4: Einstweilige Anordnung auf Einstellung der Vollstreckung mit mündlicher Verhandlung
Wie Beispiel 3; das FamG verhandelt über den Einstellungsantrag in gesonderter mündlicher Verhandlung.
Der Anwalt erhält für das Verfahren auf Erlass der einstweiligen Anordnung jetzt neben den Gebühren aus der Hauptsache eine gesonderte Vergütung (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 11 RVG). Der Gegenstandswert ist mit 1.200,00 EUR anzusetzen.
1. |
0,5-Verfahrensgebühr, Nr. 3328 VV |
|
57,50 EUR |
2. |
0,5-Terminsgebühr, Nr. 3332 VV |
|
57,50 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
135,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
25,65 EUR |
Gesamt |
|
160,65 EUR |
B. Die Gegenstandswerte
I. Überblick
Rz. 6
Die Gegenstandswerte in einstweiligen Anordnungsverfahren richten sich gem. § 23 Abs. 1 S. 1 RVG nach den Wertvorschriften des FamGKG. Insoweit sieht das Gesetz im Gegensatz zum früheren Recht davon ab, besondere Wertvorschriften für die jeweiligen einstweiligen Anordnungsverfahren vorzugeben. In einstweiligen Anordnungsverfahren ist daher grundsätzlich vom jeweiligen Wert der Hauptsache auszugehen.
Rz. 7
Soweit die einstweilige Anordnung allerdings eine geringere Bedeutung gegenüber der Hauptsache hat, ist von einem geringeren Wert auszugehen. Der Hauptsachewert ist dann entsprechend der geringeren Bedeutung zu ermäßigen (§ 41 S. 1 FamGKG).
Rz. 8
Fehlen Anhaltspunkte für eine konkrete Ermäßigung, ist vom hälftigen Wert der Hauptsache auszugehen (§ 41 S. 2 FamGKG).
Rz. 9
Die Hälfte der Hauptsache od...