Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 92
Kann man als Prozessgegner oder anderer Verfahrensbeteiligter die Gültigkeit einer in der Gerichtsakte befindlichen Signatur unmittelbar überprüfen? Laut Bacher ist lediglich das Protokoll der im Gericht durchgeführten Signaturprüfung einsehbar, das zu den Akten genommen und Prozessgegnern und anderen Verfahrensbeteiligten in der Regel in Abschrift zugeleitet wird.
Rz. 93
Nach Ansicht von Müller sind aufgrund der geringen Prüfmöglichkeit Prozessgegnern und anderen Verfahrensbeteiligten auf Verlangen die Signaturinformationen im Original zur Verfügung zu stellen. Müller sieht das Prüfrecht vor allen Dingen deswegen als gegeben an, da von den Gerichten eine vertiefte Prüfung nicht zu erwarten ist und zum anderen das rechtliche Gehör gem. Art. 20 Abs. 3 GG, das durch Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK garantiert wird, zu wahren ist. Bacher sieht ebenfalls einen solchen Anspruch, sofern diese Informationen dem Gericht noch zur Verfügung stehen, die "als Teil des signierten Dokuments oder als separate Datei zusammen mit diesem in einem elektronischen Dokumentenmanagement des Gerichts abgelegt werden".“ Sofern die qualifizierte elektronische Signatur beweisrelevant ist, erfolgt die Prüfung gem. § 371a ZPO (Augenschein).
Rz. 94
Bacher verneint allerdings eine dauerhafte Vorhaltepflicht der Gerichte auch im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs oder sonstiger Vorschriften; ausschlaggebend seien vielmehr die Vorschriften über die Aufbewahrung von Unterlagen nach der Übertragung in ein anderes Medium. Nach seiner Auffassung ist die Dokumentation des Ergebnisses der Signaturprüfung ausreichend. Nach Auffassung der Verfasser ist Bacher hier Recht zu geben.
Rz. 95
In der Vergangenheit war immer wieder zu beobachten, dass neue Verfahren auch neue Handlungsweisen hervorrufen. Im Zeitalter der Papierakte kam es nur sehr selten vor, dass Prozessgegner eine Akteneinsicht angefordert haben, um zu prüfen, ob ein Rechtsmittel vom Gegner tatsächlich fristgerecht eingereicht worden ist oder möglicherweise das Gericht einen zu späten Eingang übersehen hat. Dies wird sich vielleicht künftig ändern, wenn erst das geplante bundesweite Akteneinsichtsportal online geht und eine Akteneinsicht wesentlich leichter wird.
Rz. 96
Bacher lehnt die Auffassung von Müller ab, der weitergehende Anforderungen aus Art. 103 Abs. 1 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK ableitet. Er sieht allerdings zu Recht eine Verpflichtung der Gerichte, bei ungültiger Signatur dem Einreicher Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wobei er diesen in seinem Aufsatz vorsorglich auf einen rechtzeitigen Wiedereinsetzungsantrag verweist (Fristbeginn: Behebung des Hindernisses/Kenntnisnahme).