a) Rechtsstellung des Nachlassverwalters
Rz. 570
Die Nachlassverwaltung ist eine besondere Form der Nachlasspflegschaft; allerdings ist der Nachlassverwalter Partei kraft Amtes und untersteht der Aufsicht des Nachlassgerichts, §§ 1975, 1961, 1962, 1885 BGB (bis 31.12.2022: § 1915 BGB a.F.), 837 Abs. 1 BGB. Insofern unterscheidet er sich vom Nachlasspfleger i.S.v. §§ 1960, 1961 BGB; jener ist gesetzlicher Vertreter des Erben. Im Prozess ist er gesetzlicher Prozessstandschafter. Der Nachlassverwalter hat auch die Prozessführungsbefugnis für Schadensersatzforderungen wegen fehlerhafter Anlageberatung des Erblassers (Haftung bei Kapitalanlageberatung).
Rz. 571
Der Erbe verliert die aktive und passive Prozessführungsbefugnis, § 1984 Abs. 1 BGB. Die durch den Tod des Erblassers unterbrochenen Prozesse nimmt er auf, §§ 239, 246 ZPO. Er hat Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über den Nachlass, §§ 1984 Abs. 1 S. 1, 1985 Abs. 1 BGB, d.h., er kann sich auch mit Wirkung gegenüber dem Nachlass verpflichten, §§ 1975, 1885 BGB (bis 31.12.2022: § 1915 BGB a.F.), §§ 1821, 1823 BGB (bis 31.12.2022: § 1793 BGB a.F.).
b) Aufgaben des Nachlassverwalters
Rz. 572
Der Nachlassverwalter hat den Nachlass in Besitz zu nehmen, ihn zu verwalten und die Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen, §§ 1985, 1986 BGB. Gibt der Erbe den Nachlass nicht heraus, so muss der Nachlassverwalter Klage auf Herausgabe erheben, denn der Beschluss über die Anordnung der Nachlassverwaltung ist kein Vollstreckungstitel i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
Rz. 573
Der Nachlassverwalter kann alle tatsächlichen und rechtlichen Handlungen im Rahmen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft vornehmen.
Rz. 574
Nicht zu seinen Aufgaben gehört die Auseinandersetzung des Nachlasses; vielmehr hat er nach Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten den Überschuss an die Erben herauszugeben, § 1986 Abs. 1 BGB.
Rz. 575
Der Nachlassverwalter hat dem Nachlassgericht ein Nachlassverzeichnis vorzulegen, § 1802 BGB. Richtigkeit und Vollständigkeit sind zu versichern.
Rz. 576
Außerdem ist er verpflichtet, über seine Tätigkeit dem Nachlassgericht Auskunft zu geben und jährlich Rechnung zu legen, §§ 1839, 1840, 1841, 1843 BGB.
c) Rechtshandlungen des Erben
Rz. 577
Rechtshandlungen des Erben sind ab der Anordnung der Nachlassverwaltung absolut unwirksam, §§ 1984 Abs. 1 S. 2, 81 InsO.
Rz. 578
Beispiel
Erblasser E hat an D einen Pkw verkauft, der Kaufpreis ist in monatlichen Raten zu bezahlen, die letzte Rate von 1.000 EUR ist noch offen. Der Sohn des E, S, steht mit D in laufender Geschäftsbeziehung, aus der dem D ein Guthabensaldo von 3.000 EUR zusteht. E stirbt, sein Sohn S wird Alleinerbe. Daraufhin rechnet D mit seiner Forderung in Höhe des Teilbetrages von 1.000 EUR gegen die noch offene Restkaufpreisforderung auf. Einen Monat später wird Nachlassverwaltung angeordnet. Der Nachlassverwalter NV fordert von D die Kaufpreisrate von 1.000 EUR für den Nachlass. D verweigert die Zahlung. NV erhebt im eigenen Namen Klage gegen D auf Zahlung der 1.000 EUR. D beantragt Klagabweisung, weil die Klage sowohl unzulässig als auch unbegründet sei. NV sei nicht aktiv legitimiert, er könne die Kaufpreisforderung nicht im eigenen Namen geltend machen, allenfalls als Vertreter des Erben S. Außerdem sei die Forderung durch Aufrechnung erloschen, die Klage deshalb auch unbegründet.
Lösungsvorschlag
Die Klage ist zulässig. NV hat als Nachlassverwalter die Stellung einer Partei kraft Amtes und kann deshalb als gesetzlicher Prozessstandschafter im eigenen Namen Forderungen für den Nachlass des E geltend machen (§ 1984 Abs. 1 BGB; RGZ 135, 305). Die Klage ist auch begründet. Die durch die Aufrechnungserklärung zunächst erloschene Restkaufpreisforderung ist mit der Anordnung der Nachlassverwaltung wieder aufgelebt. Die Aufrechnung gilt gem. § 1977 Abs. 2 BGB mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Erbfalls als nicht erfolgt.
d) Genehmigungserfordernisse
Rz. 579
Es bestehen Genehmigungserfordernisse nach §§ 1885, 1888, 1848 ff. BGB (bis 31.12.2022: §§ 1821 ff. BGB a.F.) von Seiten des Nachlassgerichts. Die Zuständigkeit des Nachlassgerichts ergibt sich aus § 1962 BGB.
Rz. 580
Hauptaufgabe des Nachlassverwalters ist die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten, §§ 1985 Abs. 1 S. 1, 1986 Abs. 1 S. 1 BGB. Dazu wird er in der Regel den Nachlass liquidieren müssen. Es ist aber nicht seine Aufgabe, die Nachlassauseinandersetzung vorzunehmen.
e) Das Genehmigungsverfahren nach FamFG
aa) Gewährung rechtlichen Gehörs
Rz. 581
Für das Genehmigungsverfahren gelten dieselben Rechtsgrundsätze wie bei der Sicherungspflegschaft (§ 1960 BGB) und der Klagepflegschaft (§ 1961 BGB), denn auch der Nachlassverwalter ist ein Nachlasspfleger, vgl. Wortlaut des § 1975 BGB und Rdn 582 ff.
bb) Erfordernis eines Verfahrenspflegers im Genehmigungsverfahren bei Unbekanntsein der Erben
Rz. 582
Gemäß § 4...