Rz. 291
Nicht selten erkennt der Erbe nicht sofort beim Erbfall, dass die Anordnung eines förmlichen Nachlassverfahrens notwendig ist. Er verwaltet den Nachlass und verfügt über Nachlassgegenstände. Danach wird eines der förmlichen Nachlassverfahren (§ 1975 BGB) angeordnet. Was ist mit den vom Erben vorgenommenen Rechtshandlungen nach außen und im Verhältnis zu den Nachlassgläubigern?
Für die Frage der Verantwortlichkeit des Erben ist zu unterscheiden, ob er die Erbschaft angenommen hatte oder nicht.
a) Vor Annahme der Erbschaft
Rz. 292
Für den Erben besteht vor Annahme der Erbschaft keine Verpflichtung, tätig zu werden. Er handelt als Geschäftsführer ohne Auftrag, wenn er Rechtshandlungen in Bezug auf den Nachlass vornimmt (§ 1978 Abs. 1 S. 2 BGB). Das Geschäft muss dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Nachlassgläubiger entsprechen, § 677 BGB. Hat der Erbe vor der Verfahrenseröffnung freiwillig eine Nachlassschuld aus seinem Eigenvermögen beglichen, so wird dieser Erfüllungsvorgang vom Gesetz nicht rückgängig gemacht, vielmehr hat der Erbe einen Ersatzanspruch gegen den Nachlass nach §§ 1979, 1978, 670, 683 BGB, wenn er den Umständen nach annehmen durfte, dass der Nachlass zur Berichtigung aller Nachlassverbindlichkeiten ausreicht. Wenn der Nachlass überschuldet ist, also ein Nachlassinsolvenzverfahren eingeleitet werden muss, so hat die Forderung des Erben als Masseverbindlichkeit gem. § 324 Abs. 1 Nr. 1 InsO Vorrang.
b) Nach Annahme der Erbschaft
Rz. 293
Der Erbe haftet nach Annahme der Erbschaft den Nachlassgläubigern wie ein Beauftragter (§§ 1978 Abs. 1 S. 1, 662 ff. BGB). Gemäß § 667 BGB hat er das Erlangte herauszugeben. Auch hier gibt ihm das Gesetz einen Ersatzanspruch gegen den Nachlass nach §§ 1979, 1978, 670, 683 BGB, wenn der Erbe den Umständen nach annehmen durfte, dass der Nachlass zur Berichtigung aller Nachlassverbindlichkeiten ausreichen würde. Im Nachlassinsolvenzverfahren ist die Forderung des Erben ebenfalls bevorrechtigt nach § 324 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Herausgabe- und Ersatzansprüche fallen in den Nachlass (§ 1978 Abs. 2 BGB) und sind vom Nachlassverwalter bzw. Nachlassinsolvenzverwalter geltend zu machen. U.U. kann die Rückzahlung der Betreuervergütung aus dem Nachlass der betreuten Person angeordnet werden.
Rz. 294
Die privilegierte Stellung eines vorrangigen Massegläubigers hat der Erbe dann nicht, wenn er aus eigenen Mitteln eine Nachlassschuld tilgte, obwohl er den Umständen nach nicht annehmen durfte, dass der Nachlass zur Erfüllung aller Nachlassverbindlichkeiten ausreichen würde (§ 1979 BGB). Dann hat er gegen den Nachlass nur einen Bereicherungsanspruch nach §§ 1978 Abs. 3, 684 BGB. Aber im Nachlassinsolvenzverfahren kommt dem Erben doch noch eine Vorzugsstellung zu, indem die erloschene Forderung des Nachlassgläubigers wieder auflebt und dem Erben zufällt, der sie im Insolvenzverfahren geltend machen kann, § 326 Abs. 2 InsO, und nach §§ 412, 401 BGB auch die Sicherungsrechte erhält (in Fortentwicklung der Rechtsprechung des Reichsgerichts RGZ 55, 158).
Rz. 295
Den Erben trifft – nach Annahme der Erbschaft – eine Schadensersatzpflicht gem. § 1980 BGB, wenn er trotz Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Überschuldung des Nachlasses nicht unverzüglich das Nachlassinsolvenzverfahren beantragt.
Die interne Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung gem. § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB wird im Nachhinein eine externe Verpflichtung gegenüber den Nachlassgläubigern, wenn die Nachlassverwaltung angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wird. Dann werden die Erben so behandelt, als hätten sie im Auftrag – und damit im Interesse – der Nachlassgläubiger gehandelt, vgl. § 1978 BGB, mit der Folge, dass sie den Nachlassgläubigern für eine nicht ordnungsgemäße Verwaltung haften, § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB.
Schaden für einzelne Gläubiger:
Bei Verletzung der Sorgfaltspflicht i.S.v. § 1979 BGB seitens des Erben kann der Schaden derjenigen Nachlassgläubiger, deren Forderungen nicht erfüllt wurden, bei Anordnung des Nachlassinsolvenzverfahrens in einer niedrigeren Quote bestehen als sie sie erhalten hätten, wenn andere Gläubiger nicht vor Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens befriedigt worden wären und der Aktivnachlass deshalb höher wäre. Die Differenz zwischen Soll-Quote und Ist-Quote ist der Schaden, den der Erbe in den Nachlass zu zahlen hat. Die Darlegungs- und Beweislast für den Schaden und dessen Höhe hat der Insolvenzverwalter.
Rz. 296
Übersicht: Verantwortlichkeit des Erben gegenüber Nachlassgläubigern für bisherige Verwaltung des Nachlasses
Nach der
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Anordnung der Nachlassverwaltung oder |
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Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens |
ist der Erbe den Nachlassgläubigern für die bisherige Verwaltung des Nachlasses verantwortlich, ebenso wie der Beauftragte, § 1978 Abs. 1 S. 1 BGB.
Dies gilt auch bei späterer Erhebung der Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB) oder der Überschwerungseinrede (§ 1992 BGB).
Bei pflichtwidr...