Rz. 218
Das Gesetz gewährt dem Erben nach der Erbschaftsannahme eine weitere Schonungseinrede (§ 2015 BGB): Während des laufenden Aufgebotsverfahrens der Nachlassgläubiger, §§ 454 ff. FamFG, kann der Erbe ebenfalls die Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit einredeweise verweigern. Auch hier soll dem Erben Gelegenheit gegeben werden, sich Klarheit über die Nachlassverbindlichkeiten und den Nachlassumfang zu verschaffen.
Rz. 219
Übersicht: Zeitliche Abfolge ab Erbfall bis zum Abschluss eines Verfahrens zum Aufgebot der Nachlassgläubiger
Rz. 220
Folge der Erhebung der Einrede im Prozess ist ein Vorbehaltsurteil gem. § 305 ZPO und Klage nach §§ 782, 785, 767 ZPO in der Vollstreckung, falls über das erlaubte Maß hinaus vollstreckt wird (Vollstreckungsgegenklage). Um sich die Möglichkeit einer umfassenden Haftungsbeschränkung zu eröffnen, ist dem beklagten Erben dringend zu empfehlen, nicht nur einen Antrag gem. § 305 ZPO zu stellen, sondern gleichzeitig auch den umfassenden Antrag gem. § 780 ZPO:
Rz. 221
Formulierungsbeispiel
Für den Fall der ganzen oder teilweisen Stattgabe der Klage wird die Aufnahme zweier Vorbehalte gem. §§ 305, 780 ZPO in den Urteilstenor des Inhalts beantragt, dass dem Beklagten die Geltendmachung seiner Rechte aus § 2015 BGB sowie die Beschränkung seiner Haftung jeweils für Hauptanspruch, Nebenforderungen und Kosten auf den Nachlass des Erblassers (…) vorbehalten wird.
Unterbliebener Vorbehalt: Wird die Aufnahme des Vorbehalts in das Urteil vergessen, obwohl der Antrag rechtzeitig gestellt war, so ist eine Urteilsergänzung analog § 321 ZPO herbeizuführen. Für einen solchen Ergänzungsantrag ist jedoch die zweiwöchige Frist des § 321 Abs. 2 ZPO – ab Urteilszustellung – zu beachten.
Rz. 222
Die Vorbehalte gem. §§ 780 und 305 ZPO (Haftungsmasse = Nachlass)
(1) Nachlassverwaltung, § 1975 BGB
(2) Nachlassinsolvenzverfahren, § 1975 BGB
(3) Dürftigkeitseinrede, § 1990 BGB
Vorbehalt gem. § 305 ZPO (Erfüllungsverweigerung für Übergangszeit)
(1) Dreimonatseinrede, § 2014 BGB
(2) Aufgebotseinrede, § 2015 BGB
Rz. 223
Die Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil kann sich auch darauf beschränken, sich gegen die Zurückweisung des Antrags auf Vorbehalt der Beschränkung der Erbenhaftung zu wenden, ohne dass es dafür des Erreichens der Berufungssumme bedürfte.
BGH: Keine Präklusion für einen Antrag auf Aufnahme eines Vorbehalts gem. § 780 ZPO im Berufungsverfahren nach § 531 ZPO.
Eine Beschränkung der Revisionszulassung auf die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung ist zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann die Revisionszulassung auf einen Teil des Streitgegenstands beschränkt werden, der Gegenstand eines Teilurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte. Eine Beschränkung der Zulassung auf einzelne Angriffs- oder Verteidigungsmittel ist möglich, soweit es sich um rechtlich oder tatsächlich selbstständige und abtrennbare Teile eines Gesamtstreitstoffs handelt. Dies ist bei dem Antrag, die Beschränkung der Erbenhaftung im Urteil vorzubehalten, der Fall. Dabei handelt es sich um eine nach § 780 ZPO vorgesehene Erklärung, die die Geltendmachung einer materiellrechtlichen Haftungsbeschränkung im Vollstreckungsverfahren ermöglichen soll. Die Aufnahme dieses Vorbehalts kann das alleinige Ziel eines Rechtsmittels sein.