I. Haftungsbeschränkungsmaßnahmen
1. Haftungssituation
Rz. 249
Wenn der Erbe den Zugriff der Nachlassgläubiger auf sein Eigenvermögen nicht verhindern könnte, würden im Allgemeinen nur noch solche Erbschaften angenommen, deren Liquidität und Bonität von vornherein sicher wären. Letztlich wäre es dann Aufgabe des Fiskus, als subsidiärer Erbe nach § 1936 BGB Nachlässe abzuwickeln. Um eine solche Folge zu vermeiden, muss es dem Erben möglich sein, die Nachlassgläubiger vom Zugriff auf sein Eigenvermögen abzuhalten, also seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken, nämlich auf die Vermögensmasse, die bisher schon dem Nachlassgläubiger als Haftungsobjekt gedient hat. Diese Haftungsbeschränkung wird erst dann praktisch, wenn der Erbe die Erbschaft angenommen hat.
Rz. 250
Vor der Erbschaftsannahme kann der Erbe nicht von einem Nachlassgläubiger verklagt werden, § 1958 BGB; eine entsprechende Klage wäre unzulässig (vgl. hierzu das Muster Rdn 254).
Rz. 251
Nach Annahme der Erbschaft stehen dem Erben einzelne im Gesetz geregelte Haftungsbeschränkungsmaßnahmen zur Verfügung, d.h., er kann mit diesen Maßnahmen seine grundsätzlich bestehende unbeschränkte Haftung auf den Nachlass beschränken.
Stichwort: Der Erbe haftet vorläufig unbeschränkt, aber beschränkbar.
Rz. 252
Ausnahmsweise ist die Haftung von Anfang an auf den Nachlass beschränkt
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bei der Erbengemeinschaft bis zur Teilung, § 2059 BGB, |
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bei der Haftung für den Ersatz von Kosten der Sozialhilfe nach § 102 SGB XII, |
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bei der Sonderrechtsnachfolge in Ansprüche auf Nachzahlung von Sozialhilfe, §§ 56, 57 SGB I, |
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bei der von den Erben geschuldeten Erstattung der Betreuervergütung, § 168 Abs. 3 FamFG. |
Rz. 253
Das Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz (§ 1629a BGB) führt zu einer Sondersituation für die Haftung des volljährig gewordenen Minderjährigen für Schulden, die in der Erbengemeinschaft für ihn eingegangen wurden.
2. Muster: Klageabweisungsantrag wegen Unzulässigkeit der Klage
Rz. 254
Muster 11.14: Klageabweisungsantrag wegen Unzulässigkeit der Klage
Muster 11.14: Klageabweisungsantrag wegen Unzulässigkeit der Klage
An das
Landgericht
– Zivilkammer –
_________________________
zu Az. _________________________
Klageerwiderung
In der Rechtssache
des Herrn _________________________
– Klägers –
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt _________________________
gegen
Frau _________________________
– Beklagte –
wegen Forderung (Rückzahlung eines Darlehens)
legitimiere ich mich für die Beklagte und beantrage
Klageabweisung.
Begründung:
Die Beklagte ist zwar Alleinerbin der am _________________________ verstorbenen Frau _________________________ geworden, sie hat jedoch die Erbschaft bisher nicht angenommen. Auch die Ausschlagungsfrist ist nicht abgelaufen. Diese beträgt nach § 1944 Abs. 3 BGB im vorliegenden Falle sechs Monate, weil sich die Beklagte im Zeitpunkt des Erbfalls für längere Zeit in Kapstadt/Südafrika aufgehalten hat.
Beweis: Bestätigung der Stadtverwaltung Kapstadt vom _________________________ im Original und in begl. Übersetzung.
Die vom Kläger mit der Klage geltend gemachte Forderung richtet sich gegen den Nachlass. Der Kläger behauptet, das Darlehen der Erblasserin gegeben zu haben; die Beklagte bestreitet dies mit Nichtwissen. Bestünde die Forderung, so wäre sie Erblasserschuld und damit Nachlassverbindlichkeit nach § 1967 BGB.
Die Klage ist damit nach § 1958 BGB unzulässig und aus diesem Grunde abzuweisen. Auf die Begründetheit der Klage braucht deshalb nicht weiter eingegangen zu werden.
(Rechtsanwalt)
3. Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten im Überblick
Rz. 255
Zwei förmliche Verfahren stellt das Gesetz zur Verfügung:
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die Nachlassverwaltung, |
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das Nachlassinsolvenzverfahren. |
Rz. 256
Darüber hinaus ist in zwei Fällen eine Haftungsbeschränkung auch ohne die Durchführung eines förmlichen Verfahrens zulässig. Das Gesetz gewährt ausnahmsweise die Möglichkeit der Erhebung der Einrede der beschränkten Haftung:
Hinweis
Alle materiellrechtlichen Haftungsbeschränkungsinstrumente müssen im Erkenntnisprozess mittels des Vorbehalts nach § 780 ZPO dem Erben vorbehalten werden, andernfalls können sie in der Zwangsvollstreckung in das Eigenvermögen des Erben nicht geltend gemacht werden, §§ 781, 784 ZPO.
Rz. 257
Neben diesen vier Möglichkeiten einer Haftungsbeschränkung, die allen Nachlassgläubigern gegenüber Wirkungen erzeugen, kann der Erbe in zwei weiteren Fällen seine Haftung nur einzelnen Gläubigern gegenüber beschränken, und zwar mit
Rz. 258
Diesen zeitlich unbegrenzten, insgesamt sechs Haftungsbeschränkungsmaßnahmen stehen die nur zeitweise wirkenden, aufschiebenden Einreden der §§ 2014 und 2015 BGB gegenüber (siehe Rdn 351 ff.).
Rz. 259
Immer haftet der Erbe den Nachlassgläubigern unbeschränkt, d.h. auch mit seinem Eigenvermögen, wenn die Voraussetzungen für eine der Mögl...