1. Allgemeines
Rz. 91
Um die Frage der Haftung des Erben beantworten zu können, muss primär geklärt werden, ob die fragliche Verbindlichkeit eine Nachlassverbindlichkeit darstellt. Erblasserschulden sind eindeutige Nachlassverbindlichkeiten. Sie rühren vom Erblasser her und bestanden bereits ihm gegenüber (§ 1967 Abs. 2 S. 1 BGB). Deshalb ist der Erbe mit der Annahme der Erbschaft verpflichtet, die Erblasserschulden genauso zu erfüllen, wie sie vom Erblasser zu erfüllen gewesen wären. Gleichgültig ist, ob die Verbindlichkeiten auf Vertrag, unerlaubter Handlung oder öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen (bspw. Einkommensteuerschuld) beruhen. Dort, wo nur eine höchstpersönliche Erfüllung möglich ist, findet kein Schuldenübergang statt (bspw. die Verpflichtung des Dienstverpflichteten, § 613 BGB, oder des Geschäftsführers, § 673 S. 1 BGB). Solche höchstpersönlichen Verpflichtungen erlöschen mit dem Tod des Erblassers. Eine entsprechende Anwendung des § 1922 BGB BGB auf öffentlich-rechtliche Verpflichtungen kommt nur dann in Betracht, wenn unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der jeweils in Rede stehenden öffentlich-rechtlichen Normen im Hinblick auf den Übergang der Verpflichtung auf den Rechtsnachfolger eine vergleichbare Interessenlage gegeben ist. Eine solche ist zu verneinen, wenn die betreffende Pflicht einen höchstpersönlichen Charakter aufweist, deren Art und Inhalt einem Übergang auf eine andere Person entgegensteht.
2. Unterhaltsverbindlichkeiten
a) Grundsatz: Erlöschen von Unterhaltsansprüchen beim Tod des Unterhaltsschuldners
Rz. 92
Für Unterhaltsgläubiger gelten besondere Regeln: Der Anspruch auf Verwandtenunterhalt (z.B. eines Kindes) erlischt nach § 1615 Abs. 1 S. 1 BGB mit dem Tod des Unterhaltspflichtigen. Vom Erben als Nachlassverbindlichkeit zu erfüllen ist der Unterhaltsanspruch des Verwandten nur, wenn er auf Erfüllung oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung für die Vergangenheit gerichtet ist (§ 1613 Abs. 1 BGB). Dies gilt auch für die Unterhaltspflicht gegenüber dem überlebenden Ehegatten, von dem der Erblasser nicht geschieden war (§§ 1360a Abs. 3, 1361 Abs. 4 BGB).
b) Ausnahme: Nachehelicher Ehegattenunterhalt
Rz. 93
Im Gegensatz dazu geht die Unterhaltsverpflichtung des Erblassers gegenüber einem geschiedenen Ehegatten als Nachlassverbindlichkeit auf den Erben über (§ 1586b Abs. 1 BGB). Allerdings haftet der Erbe nur bis zur Höhe des Betrages, der dem Pflichtteil entspricht, der dem unterhaltsberechtigten Ehegatten zustünde, wenn die Ehe nicht geschieden worden wäre,§ 1586b Abs. 1 S. 3 BGB (zur Einbeziehung fiktiver Pflichtteilsergänzungsansprüche in die Haftungsgrenze des § 1586b Abs. 1 S. 3 BGB siehe Rdn 94 ff.). Ist unter den Voraussetzungen des § 1933 BGB nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen, so gilt gem. § 1933 S. 3 BGB ebenfalls die Vorschrift des § 1586b BGB.
Ob der Tod des Unterhaltsschuldners ein wichtiger Grund i.S.v. § 1585 Abs. 2 BGB ist, der dem Unterhaltsgläubiger das Recht gibt, eine Kapitalabfindung des Unterhalts verlangen zu können, ist ungeklärt. Es spricht aber vieles dafür. Aber nur der Gläubiger hat das Recht auf Abfindung, nicht auch der Erbe als Unterhaltsschuldner.
Hat der geschiedene Ehegatte in einem Ehevertrag auf nacheheliche Unterhaltsansprüche gem. § 1585c BGB verzichtet, so kann ein solcher Verzicht u.U. nichtig sein.
Rz. 94
Die Haftungshöchstsumme umfasst den fiktiven ordentlichen Pflichtteil und den fiktiven Ergänzungspflichtteil. Dazu der BGH im Urt. v. 29.11.2000:
Zitat
"In die Haftungsgrenze des § 1586b Abs. 1 Satz 3 BGB sind (fiktive) Pflichtteilsergänzungsansprüche des Unterhaltsberechtigten gegen den Erben einzubeziehen."
Dieses BGH-Urteil ist für die vielfältige prozessrechtliche und materiellrechtliche Problematik, die § 1586b BGB in sich birgt, unter mehreren Aspekten von Interesse:
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Die Umschreibung eines gerichtlichen Vergleichs, der nachehelichen Ehegattenunterhalt regelt, nach §§ 795, 794 Abs. 1 Nr. 1, 727 ZPO auf den Erben des Unterhaltsschuldners wird als zulässig angesehen. |
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Die Abänderungsklage nach § 323 ZPO (und nicht zwingend die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO) ist die richtige Klageart, mit der ein Erbe des Unterhalt schuldenden Ehegatten u.a. das Erreichen der fiktiven pflichtteilsgleichen Haftungssumme des § 1586b Abs. 1 S. 3 BGB geltend machen kann. Für die Zeit seit 1.9.2009 gelten für Unterhaltssachen die §§ 231 ff. FamFG, für die Abänderung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und Urkunden die §§ 238, 239 FamFG. |
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Neben der Haftungsbegrenzung aus § 1586b Abs. 1 S. 3 BGB besteht die allgemeine Beschränkung der Erbenha... |