Rz. 196
An die Stelle des Erblassers als bisherigem Schuldner tritt mit Eintritt des Erbfalles gem. §§ 1922, 1967 BGB der Erbe. Schuldner werden demnach nicht Vermächtnisnehmer und Pflichtteilsberechtigte; sie haben selbst die Stellung von Nachlassgläubigern.
Rz. 197
Vor- und Nacherbe: Der Vorerbe ist während seiner Zeit der Erbberechtigung, also bis zum Eintritt des Nacherbfalls, Erbe des Erblassers und haftet deshalb für Nachlassverbindlichkeiten wie der Vollerbe. Erst mit Eintritt des Nacherbfalls wird der Nacherbe Rechtsnachfolger des Erblassers und tritt damit in die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten ein. Zu diesem Zeitpunkt endet die Haftung des Vorerben, er verliert seine Erbenstellung (§ 2139 BGB). Für Anordnungen, die der Erblasser ausdrücklich zu Lasten des Vorerben getroffen hat (z.B. Vermächtnisse, Auflagen und Teilungsanordnungen), haftet der Vorerbe weiter, § 2145 Abs. 1 BGB. Aber die Erben des Vorerben können ihre Haftung für bspw. eine Vermächtnisverbindlichkeit gem. § 2145 Abs. 2 BGB auf dasjenige beschränken, was ihnen aus der Vorerbschaft gebührt. Dafür steht ihnen ausschließlich die Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB zur Verfügung; andere Haftungsbeschränkungsmaßnahmen – wie Nachlassverwaltung und Nachlassinsolvenzverfahren – sieht das Gesetz im Falle der Haftung nach § 2145 BGB nicht vor. Mit der Anwendung von § 1990 BGB gilt auch § 1991 Abs. 4 BGB, wonach für die Abwicklung der Vermächtnisforderung Nachlassinsolvenzrecht gilt. Das bedeutet wiederum, dass gem. § 327 Abs. 1 InsO die Vermächtnisforderung letzten Rang hat. Für die Beurteilung der tatsächlichen Dürftigkeit kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Erbfalls an, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Einrede, im Prozess also die letzte mündliche Tatsachenverhandlung.
Hinweis
Das materiellrechtliche Haftungsbeschränkungsinstrument der Dürftigkeitseinrede muss im Erkenntnisprozess mittels des Vorbehalts nach § 780 ZPO dem/den Erben vorbehalten werden, andernfalls können sie in der Zwangsvollstreckung in das Eigenvermögen des Erben nicht geltend gemacht werden, §§ 781, 784 ZPO. Der Haftungsbeschränkungsvorbehalt wird nur auf Antrag in das Urteil (möglichst im Tenor!) aufgenommen, nicht von Amts wegen.
Rz. 198
Hat allerdings der Vorerbe die Möglichkeit verloren, seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken, dann haftet er unbeschränkt mit der Folge, dass diese unbeschränkte Haftung mit seinem eigenen Vermögen auch nach Eintritt des Nacherbfalls weiterbesteht. Hat er allerdings die Möglichkeit, seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken, bei Eintritt des Nacherbfalls noch nicht verloren, so kann er die Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit verweigern, soweit dasjenige nicht ausreicht, was ihm vom Nachlass gebührt, § 2145 Abs. 2 BGB.
Rz. 199
Was gebührt dem Vorerben aus dem Nachlass? Es ist nicht die Nachlasssubstanz selbst, vielmehr sind es die Nutzungen, die in das Eigenvermögen des Vorerben übergegangen sind, §§ 2111, 101 BGB. Da er insoweit haftet, bedeutet dies eine wertmäßige Haftung mit dem Eigenvermögen für Nachlassverbindlichkeiten.
Rz. 200
Für den Nacherben eröffnet sich die Möglichkeit der Herbeiführung einer beschränkten Haftung auf den Nachlass vollkommen neu, gleichgültig, ob der Vorerbe davon Gebrauch gemacht hatte oder nicht, §§ 2144, 2145 BGB (vgl. im Einzelnen § 14).