1. Vorläufiger Erbe
Rz. 207
Die Erbenstellung ist bis zur Annahme der Erbschaft nur vorläufig. Schlägt der Erbe die Erbschaft aus, so gilt der Anfall an ihn als nicht erfolgt, §§ 1942 Abs. 1, 1953 Abs. 1 BGB. Dann hat sich das Haftungsproblem für ihn erledigt, nicht aber für denjenigen, dem die Erbschaft an seiner Stelle anfällt, § 1953 Abs. 2 BGB.
Rz. 208
Vor der Annahme der Erbschaft kann ein gegen den Nachlass gerichteter Anspruch gegen den Erben nicht geltend gemacht werden (§ 1958 BGB). Dies ist eine Prozessvoraussetzung und muss von Amts wegen beachtet werden (§§ 239 Abs. 5, 778, 779 ZPO). Das bedeutet, dass eine Klage gegen den Erben vor der Erbschaftsannahme unzulässig ist.
Rz. 209
Während dieses Schwebezustandes tritt auch trotz Mahnung kein Schuldnerverzug ein, § 286 BGB. Deshalb hat auch ein Kläger die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, wenn der beklagte Erbe nach Klagezustellung die Erbschaft ausschlägt.
Rz. 210
§ 1958 BGB gilt aber nicht bei Vorhandensein eines Testamentsvollstreckers (§ 2213 Abs. 2 BGB) und bei Anordnung der Nachlasspflegschaft (§ 1960 Abs. 3 BGB). Will ein Gläubiger eine Nachlassverbindlichkeit geltend machen, bevor der Erbe die Annahme erklärt hat, so muss er die Anordnung der Nachlasspflegschaft – in der Form der Klagepflegschaft (§ 1961 BGB) – beim zuständigen Nachlassgericht beantragen. § 1958 BGB wirkt sich im Verfahren auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel in der Weise aus, dass vor Annahme der Erbschaft ein gegen den Erblasser gerichteter Titel nicht auf den Erben nach § 727 Abs. 1 ZPO umgeschrieben werden kann.
2. Haftung nach Erbschaftsannahme
a) Dreimonatseinrede
Rz. 211
Auch nach Annahme der Erbschaft steht dem Erben die Einrede zu, die Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit innerhalb der ersten drei Monate nach Erbschaftsannahme zu verweigern (§ 2014 BGB). Das Gesetz gewährt dem Erben eine Schonfrist, damit er sich einen Überblick über den Nachlassbestand (Aktiva und Passiva) verschaffen kann. Die Frist beginnt mit der Annahme der Erbschaft, also spätestens nach Ablauf der Ausschlagungsfrist.
Rz. 212
Bei Bestellung eines Nachlasspflegers vor Erbschaftsannahme beginnt die Frist schon mit der Bestellung, § 2017 BGB. Die Bestellung des Nachlasspflegers erfolgt durch Beschluss des Nachlassgerichts. Dieser Beschluss wird wirksam mit der Bekanntgabe an den Nachlasspfleger, § 40 FamFG, im Falle der Anordnung der Nachlassverwaltung auch durch Bekanntgabe an die Erben. Der Bestellungsbeschluss ist mit der sofortigen Beschwerde mit Monatsfrist anfechtbar, §§ 58 ff. FamFG. Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beschlusses und Beginn der Fristen der §§ 2014, 2015 BGB fallen demnach zusammen.
Rz. 213
Streitig ist, ob § 2017 BGB für den Fall analog anzuwenden ist, dass der Testamentsvollstrecker die Annahme seines Amtes gegenüber dem Nachlassgericht früher erklärt (§ 2202 Abs. 1 und 2 BGB), als der Erbe die Erbschaft annimmt. Im Hinblick darauf, dass der Testamentsvollstrecker das Gläubigeraufgebot erst nach Annahme der Erbschaft durch den Erben beantragen kann (§ 455 Abs. 3 FamFG), verneint die h.M. die analoge Anwendung auf den Testamentsvollstrecker.
Rz. 214
Für das Aufgebotsverfahren gelten die Aufgebotsvorschriften der §§ 433 ff. FamFG.
Rz. 215
Ergänzt wird § 2014 BGB durch § 305 Abs. 1 ZPO: Im Prozess führt die Geltendmachung der Einrede zur Aufnahme des Vorbehalts der zeitweiligen auf maximal drei Monate befristeten beschränkten Erbenhaftung in das Urteil.
Rz. 216
Für die Zwangsvollstreckung gilt § 782 ZPO: Aufgrund des Vorbehalts ist eine etwaige Zwangsvollstreckung auf reine Sicherungsmaßnahmen (Pfändung ohne Verwertung, wie beim Arrest nach §§ 930–932 ZPO) zu beschränken. Durchgesetzt wird der Vorbehalt mit der Vollstreckungsgegenklage, §§ 785, 767 ZPO. Um sich die Möglichkeit einer umfassenden Haftungsbeschränkung zu eröffnen, ist dem beklagten Erben dringend zu empfehlen, nicht nur einen Antrag gem. § 305 ZPO zu stellen, sondern gleichzeitig auch den umfassenden Antrag gem. § 780 ZPO.
b) Muster: Klageerwiderung (Dreimonatseinrede)
Rz. 217
Muster 11.11: Klageerwiderung (Dreimonatseinrede)
Muster 11.11: Klageerwiderung (Dreimonatseinrede)
An das
Landgericht
– Zivilkammer –
_________________________
zu Az. _________________________
Klageerwiderung
In der Rechtssache
des _________________________
– Klägers –
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt _________________________
gegen
_________________________
– Beklagten –
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt _________________________
wegen Forderung
legitimiere ich mich für den Beklagten und beantrage
1. |
in erster Linie Klagabweisung, |
2. |
in zweiter Linie für den Fall der ganzen oder teilweisen Stattgabe der Klage die Aufnahme zweier Haftungsbeschränkungsvorbehalte na... |