Dr. K. Jan Schiffer, Eberhard Rott
A. Empirisches zur Aktualität der DNotV-Empfehlungen
Rz. 1
Wie die vorstehenden Ausführungen der verschiedenen Autoren in den voranstehenden Kapiteln zeigen, ist das Konfliktpotential im Zusammenhang mit der Angemessenheit der Testamentsvollstreckervergütung signifikant hoch. Das überrascht nicht, sind doch ungeachtet der im Jahr 2000 entwickelten Vergütungsempfehlungen des Deutschen Notarvereins und ihrer grundsätzlichen Akzeptanz in der Praxis und der Rechtsprechung nach wie vor viele Fragen bei der Bemessung der angemessenen Testamentsvollstreckervergütung umstritten. Umfragen, auch wenn sie sicherlich nicht empirisch hart sind, bestätigen das. Auf die im Auftrag der AGT im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen gestellte Frage "Hatten Sie schon einmal Schwierigkeiten, Ihre angemessene Vergütung als Testamentsvollstrecker durchzusetzen?" antworteten 31 % von insgesamt 425 teilnehmenden Testamentsvollstreckern mit "ja". Auf die Frage "Würden Sie es begrüßen, wenn die AGT die Vergütungsempfehlungen des Deutschen Notarvereins hinterfragt?", antworteten 74 % von 350 befragten Testamentsvollstreckern mit "ja".
B. Reaktion der Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge (AGT) e.V.
I. Praktikeranfragen
Rz. 2
Als berufsständiger und wissenschaftlicher Vereinigung zur Vertretung der fachlichen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Belange der Testamentsvollstrecker gehört es zu den satzungsgemäßen Aufgaben der AGT, sich mit diesem Befund auseinanderzusetzen, der nicht grundsätzlich neu ist. Schon seit gut 20 Jahren werden immer wieder Fragen zur Testamentsvollstreckervergütung an die AGT und einzelne Vorstandsmitglieder herangetragen, verstärkt in den letzten zehn Jahren. Und das gerade auch zu verlässlichen Kalkulationsgrundlagen für die Testamentsvollstreckervergütung. Bekanntlich nimmt der Testamentsvollstrecker in der Regel die Vergütungsauszahlung an sich selbst vor. Da will er nachvollziehbar gerne auf sicheren rechtlichen Pfaden wandeln, zumal die Testamentsvollstreckervergütung anschließend gerichtlich überprüfbar ist. Dieser Wunsch der Praxis nach Einheitlichkeit in der Vergütungsbemessung ist also nachvollziehbar, und zwar nicht nur aus Sicht des Testamentsvollstreckers, sondern auch aus Sicht der Erben und letztendlich auch des Erblassers. Erfüllt werden kann der Wunsch allerdings nicht, schon weil die Aufgaben der Testamentsvollstrecker dafür viel zu unterschiedlich sind.
Rz. 3
Das Gesetz hilft oft nicht weiter. § 2221 BGB ist bewusst als offener Tatbestand formuliert und damit ersichtlich auslegungsbedürftig. Die Ausfüllung unbestimmter Gesetzesbegriffe obliegt den Gerichten. Sie entscheiden im Streitfall final für jeden Einzelfall nach entsprechender Abwägung, welche Vergütung für die konkrete Testamentsvollstreckung als angemessen erscheint.
II. Vorüberlegungen
Rz. 4
Die letztendliche Zuständigkeit der Rechtsprechung verbietet nicht, dass die Praxis überzeugende Auslegungskriterien entwickelt, die einer einigermaßen einheitlichen Rechtsanwendung dienen. Dazu gibt es denn auch seit langem Vorschläge zu verschiedenen Vergütungstabellen. In der Tat darf die grundsätzliche Zulässigkeit und oftmals auch Nützlichkeit unbestimmter Gesetzesbegriffe nicht den Blick darauf verstellen, dass die von der Norm Betroffenen immer auch in der Lage sein müssen, die Rechtslage schon vor ihrem Handeln zu erkennen und ihr Verhalten danach einzurichten. Anderenfalls wird das auch vom BGH betonte Ziel der Vergütungsempfehlungen, dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit zu dienen, gerade nicht erreicht.
III. Ausgangspunkt: DNotV-Empfehlungen
Rz. 5
Die in der Praxis und der Rechtsprechung weitgehend anerkannte Richtschnur zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit i.S.v. § 2221 BGB sind die Empfehlungen des Deutschen Notarvereins für die Vergütung des Testamentsvollstreckers, die Fortentwicklung der "Rheinischen Tabelle". Sie wird teilweise auch "Neue Rheinische Tabelle" genannt. Eine praxisgerechte Befassung mit dem Thema einer zeitgemäßen, angemessenen Testamentsvollstreckervergütung hat daher aus Sicht des Vorstandes der AGT von diesen Empfehlungen auszugehen.