Rz. 20

Soweit die gesetzlichen Gebühren in einem Rahmen bestimmt sind, ist auf § 14 RVG zur Bemessung der Gebühr zurückzugreifen:

 

§ 14 RVG Rahmengebühren

(1) 1Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. 2Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. 3Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. 4Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) 1Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. 2Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.

I. Ermessensausübung

 

Rz. 21

Welche Höhe die vom Rechtsanwalt zu berechnende Gebühr hat, muss er innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens der einzelnen Gebühren durch Ausübung seines Ermessens bestimmen.

Grundsätzlich ist für diese Ermessensausübung auf die Vorschriften des § 315 BGB zurückzugreifen.

 

§ 315 BGB Bestimmung der Leistung durch eine Partei

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragsschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.

(3) 1Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. 2Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

Aus § 315 Abs. 2 BGB ergibt sich, dass der Rechtsanwalt das ausgeübte Ermessen dem Auftraggeber gegenüber erklären muss.

Das ausgeübte Ermessen ist – ohne Erklärung eines Vorbehalts – verbindlich und der Rechtsanwalt ist an die Ermessensausübung gebunden.[17] Danach ist nicht von einer verbindlichen Ermessensausübung auszugehen, wenn sich der Rechtsanwalt eine Änderung der Bestimmung des Rahmens ausdrücklich vorbehält.

Bei der Ermessensausübung muss der Rechtsanwalt alle in § 14 RVG genannten Kriterien für die Bestimmung jeweils im Einzelfall berücksichtigen.

[17] KG JurBüro 2004, 484; OLG Koblenz AGS 2000, 88; BGH NJW 1987, 489; OLG Köln AGS 1993, 34.

II. Billigkeit und Unbilligkeit

 

Rz. 22

Gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 RVG soll die vom Rechtsanwalt getroffene Gebührenbestimmung Dritten gegenüber nicht verbindlich sein, soweit sie unbillig ist. Diese Regelung betrifft den materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch gegenüber Dritten (z.B. Gegner oder Rechtschutzversicherung). Die Bestimmung dem Auftraggeber gegenüber ist damit nicht eingeschränkt.

Zur Frage, wann eine Unbilligkeit angenommen wird, gibt es verschiedene, sehr widersprüchliche Theorien. Festgehalten werden kann, dass Unbilligkeit angenommen wird, wenn die Gebührenbestimmung des Rechtsanwalts die als billig zugestandene Gebühr um mehr als 20 % übersteigt.[18] Für die Bestimmung kommt es auf den Einzelfall an, und darauf, dass die Kriterien des § 14 RVG detailliert abgewogen und bestimmt worden sind.

 

Rz. 23

Der Rechtsanwalt trägt die Darlegungs- und Beweislast für die zutreffende Ausübung des Ermessens. Im Falle des Erstattungsanspruchs trifft die Beweislast für die unbillige Ermessensausübung den erstattungspflichtigen Dritten.

Im Streitfall zwischen dem Auftraggeber und dem Rechtsanwalt ist gemäß § 14 Abs. 2 RVG ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer über die Gebührenbestimmung und deren Angemessenheit einzuholen. Dies gilt jedoch nur im ordentlichen Gerichtsverfahren. Das Gericht ist jedoch nicht an das Gutachten bei der Entscheidungsfindung gebunden. Beabsichtigt das Gericht die Kürzung der Gebühren, ist die Einholung eines Gutachtens zwingend. Unterbleibt dies entgegen § 14 RVG, kann das einen Verfahrensfehler darstellen, der nach entsprechendem erstinstanzlichen Hinweis des Rechtsanwaltes zu einer Zurückverweisung im Berufungsverfahren führen kann.[19]

[18] In Anbetracht der Änderungen bei der Toleranzgrenze kann es insoweit zu Änderungen kommen.
[19] RMOLK RVG/Baumgärtel, § 14 Rn 16.

III. Bestimmung des Rahmens

1. Allgemeines

 

Rz. 24

Gerade in erbrechtlichen Mandaten, die besonders im Zusammenhang mit Erbengemeinschaften umfangreich und nicht selten überdurchschnittlich komplex und kompliziert sein können, muss der Rechtsanwalt die Kriterien für die Bestimmung des Gebührenrahmens kennen, um sie sachgerecht anwenden und seine Tätigkeit angemessen vergüten zu lassen.

Ferner findet sich in den Vorschriften des RVG eine Änderung der ursprünglichen Mittelwerttheorie (Mindestgebühr + Höchstgebühr / 2), z.B. wurde in Nr. 2300 VV RVG bei der Geschäftsgebühr der Mittelwert mit einem Satzrahmen von 1,3 (sog. Schwellengebühr) festgelegt, statt der sich err...

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