Rz. 9
Zum 1.7.2006 ist die Neufassung des § 34 RVG in Kraft getreten. Grundlage dieser einschneidenden Änderung des § 34 RVG ist das Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5.5.2004, Artikel 5, 8. Seit dem 1.7.2006 lautet die Fassung der Vorschrift des § 34 RVG wie folgt:
§ 34 RVG Beratung, Gutachten und Mediation
(1) 1Für einen mündlichen oder schriftlichen Rat oder eine Auskunft (Beratung), die nicht mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit zusammenhängen, für die Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens und für die Tätigkeit als Mediator soll der Rechtsanwalt auf eine Gebührenvereinbarung hinwirken, soweit in Teil 2 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses keine Gebühren bestimmt sind. 2Wenn keine Vereinbarung getroffen worden ist, erhält der Rechtsanwalt Gebühren nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. 3Ist im Fall des Satzes 2 der Auftraggeber Verbraucher, beträgt die Gebühr für die Beratung oder für die Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens jeweils höchstens 250 EUR; § 14 Abs. 1 gilt entsprechend; für ein erstes Beratungsgespräch beträgt die Gebühr jedoch höchstens 190 EUR.
(2) Wenn nichts anderes vereinbart ist, ist die Gebühr für die Beratung auf eine Gebühr für eine sonstige Tätigkeit, die mit der Beratung zusammenhängt, anzurechnen.
Rz. 10
Somit entfielen die Gebührentatbestände der Nr. 2100–2103 VV RVG. Selbstverständlich ist damit nicht der Vergütungsanspruch für die Beratungsleistung entfallen, sondern mit der Änderung wurde die Anspruchsgrundlage für die Vergütung novelliert. Der Rechtsanwalt erhält nach § 612 Abs. 2 BGB die "übliche" Vergütung. Trifft der Anwalt jedoch keine Vereinbarung und ist der Mandant Verbraucher (was im Erbrecht der Regelfall ist), sieht § 34 RVG eine Kappungsgrenze auf maximal 250 EUR netto vor. Gerade im Bereich des Erbrechts ist bereits die Beratung einerseits verhältnismäßig aufwendig, andererseits haftungsträchtig, besonders, wenn sie die Gestaltung einer letztwilligen Verfügung zum Gegenstand hat und umso mehr, wenn später Erbengemeinschaften entstehen. Es ist daher dringend anzuraten, eine Vergütungsvereinbarung zu treffen, die eine angemessene Bezahlung sichert. Gerade in Streit geratene Erbengemeinschaften haben eine geringe Hemmschwelle, auch den zuvor gestalterisch oder in sonstiger Weise beratenden Rechtsanwalt in Streitigkeiten einzubeziehen und den vermeintlich falsch verteilten Nachlass dank der Haftung des Rechtsanwaltes zu vervielfachen.
Rz. 11
Beispiel
Die Geschwister S und T lassen sich vom Rechtsanwalt in der Nachlasssache nach ihrer Mutter beraten, die sowohl Vermögen von 370 TEUR als auch eine Vielzahl von Verbindlichkeiten von insgesamt ca. 35 TEUR hinterlassen hat. Sie sind Erben aufgrund gesetzlicher Erbfolge. Die Beratung erfolgt durch den Rechtsanwalt in Form mehrerer Besprechungen in der Kanzlei des Rechtsanwalts.
Die Geschwister haben sich mehrfach die Empfehlungen des Rechtsanwalts eingeholt, wie sie sich in einer bestimmten Lage verhalten sollen, sie wurden beraten.
Soweit keine Vereinbarung zwischen den Mandaten und dem Rechtsanwalt über die Vergütung im Sinne des § 4 RVG geschlossen worden ist, wird der Rechtsanwalt gemäß § 34 RVG höchstens einen Betrag von 250 EUR als Gebühr abrechnen können. Gemäß § 34 S. 3 RVG greift im vorliegenden Fall die vorgesehene Kappungsgrenze, da die Auftraggeber Verbraucher im Sinne des § 13 BGB sind. Verbraucher im Sinne des Gesetzes ist, wer als natürliche Person einen Beratungsauftrag erteilt, wenn der Auftrag weder einer gewerblichen noch einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Eine Erbengemeinschaft wird im Regelfall als Verbraucher zu betrachten sein.
Rz. 12
Es sind nur wenige Konstellationen denkbar, in denen eine Erbengemeinschaft nicht als Verbraucher einzustufen wäre und somit die Kappungsgrenze des § 34 S. 3 RVG nicht greift. Selbst wenn in den Nachlass Gesellschaftsanteile u.Ä. gefallen sein sollten, wird regelmäßig ein einheitlicher Beratungsauftrag vorliegen und die Verbrauchereigenschaft der Erbengemeinschaft im Vordergrund stehen. Auf Art, Umfang, Dauer, Schwierigkeit der anwaltlichen Beratungsleistung kommt es dann nicht mehr an: Die Vergütung ist begrenzt – die Haftung des Anwalts hingegen nicht!