Martin Lindenau, Dominikus Arweiler
Rz. 61
Bei Zugrundelegung der seitens des Vollmachtgebers regelmäßig verfolgten Bedürfnisse und Interessen sollte die Vollmacht nach der wohl h.M. unbedingt und unbefristet erteilt werden, um den originären Zweck der Vollmacht, nämlich den reibungslosen und unauffälligen Übergang von der Eigen- zur Fremdfürsorge, nicht am Ende durch die Verpflichtung zur Vorlage ärztlicher Gutachten zum Nachweis der Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers zu konterkarieren. Zur Vorbeugung von Missbrauch infolge dieser "grenzenlosen" Vollmachtserteilung sollte die Frage nach dem "Dürfen" indessen im Innenverhältnis detailliert geregelt werden. Umgesetzt wird diese Vorgabe in der Praxis durch die Anweisung, erst bei einer Handlungs- oder Geschäftsunfähigkeit respektive Betreuungsbedürftigkeit des Vollmachtgebers von der Vollmacht Gebrauch zu machen. Renner spricht insoweit vom "Eintritt des Versorgungsfalls", gleichbedeutend mit der Begrifflichkeit des Vorsorgefalles.
Rz. 62
Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Bevollmächtigte in seinem Zuständigkeitsbereich nach außen frei agieren darf, und zwar, sobald ihm das Original der Vollmacht oder eine Ausfertigung im Falle der notariell beurkundeten Vollmacht vorliegt. Im Hinblick auf das zeitliche Inkrafttreten der Vollmacht bestünde zudem die Option, den beurkundenden Notar gemäß § 51 Abs. 2 BeurkG anzuweisen, dass die Ausfertigung der Vollmachtsurkunde erst dann auszuhändigen ist, wenn der Vorsorgefall mittels ärztlicher Bescheinigung nachgewiesen wurde. Diese Variante bietet zwar den größtmöglichen Schutz gegen missbräuchliche Verwendung der Vollmacht. Gleichwohl ist diese Gestaltung angesichts des vorstehend erläuterten Mandanteninteresses im Ergebnis abzulehnen. Das Risiko, dass sich am Ende kein Arzt zur Ausstellung einer solchen Bescheinigung bereit erklären könnte, ist kaum kalkulierbar. In diesem Fall würde die Vollmacht niemals in Kraft treten und infolgedessen ins Leere laufen.
Rz. 63
Abhängig von der konkreten Ausgestaltung des Innenverhältnisses, insbesondere mit Blick auf den Zuständigkeitsbereich des Bevollmächtigten (etwa Übernahme gesellschaftsrechtlicher Pflichten bei Familienunternehmen), kann es sich empfehlen, besondere Ereignisse, wie beispielsweise Verschollenheit und Geiselnahme, in den Anwendungsbereich des definierten Versorgungsfalls mit aufzunehmen.
Rz. 64
Nach einhelliger Ansicht sollte zudem darauf geachtet werden, die Trennung von Innen- und Außenverhältnis kenntlich zu machen. Vereinzelte Stimmen gehen indes weiter und empfehlen, Innen- und Außenverhältnis stets in separaten Dokumenten/Urkunden abzufassen, da bereits die Überschrift "Vorsorgevollmacht" eine Bedingung nahelegen könne.
Rz. 65
Praxistipp
In der konkreten Beratungssituation sollte im Rahmen der Erläuterung der Mechanik von Innen- und Außenverhältnis auf die der unbedingten Gestaltung immanente Missbrauchsgefahr hingewiesen werden. Der Blick richtet sich hier auf die potenziellen Bevollmächtigten, zu denen ein enges Vertrauensverhältnis bestehen sollte. Möchte die Mandantschaft jegliche Gefahr eines Missbrauchs vermeiden und ist sie bereit, im Gegenzug in Kauf zu nehmen, dass die Vollmacht nur verzögert eingesetzt werden kann oder gar ins Leere läuft, könnte erwogen werden, eine notarielle Beurkundung der Vollmacht mit verzögerter Aushändigungsanweisung zu empfehlen.