Mallory Völker, Monika Clausius
Rz. 143
Gemäß Art. 12 Abs. 1 HKÜ ist die sofortige Rückgabe des Kindes anzuordnen. Die deutsche Fassung des HKÜ spricht von "Rückgabe", nach der – vom EGMR gebilligten – Rechtsprechung des BVerfG ist aber eine Auslegung des HKÜ, aufgrund derer ein Gericht dem entführenden Elternteil die persönliche Rückführung des Kindes aufgibt, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Rückgabe/-führung ist nach § 44 IntFamRVG zu vollstrecken. Dies ist vom OLG Hamburg unter Bezugnahme auf den Wortlaut von § 44 Abs. 1 IntFamRVG bestritten worden, es seien (über § 14 Nr. 2 IntFamRVG) die §§ 86, 95 FamFG anzuwenden. Dem kann nicht zugestimmt werden; § 44 Abs. 1 IntFamRVG ist problemlos so auszulegen, dass er auch Rückführungsverpflichtungen erfasst. Dafür streitet der systematische Zusammenhang mit § 44 Abs. 3 IntFamRVG, in dem ausdrücklich von "heraus- oder zurückzugeben die Rede ist und der sich auf Abs. 1 der Norm bezieht. Außerdem liegt ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers im Rahmen der mehrfachen Änderungen des § 44 IntFamRVG vor. Dennoch sollte der Gesetzgeber in § 44 Abs. 1 IntFamRVG klarstellen, dass diese Vorschrift auch die Zuwiderhandlung gegen die Pflicht erfasst, das Kind in den Ursprungsstaat zurückzuführen."
Die Rückführungsverpflichtung ist erst dann erfüllt, wenn sich das Kind wieder auf Dauer im Herkunftsstaat aufhält. Das OLG Schleswig hat es demgegenüber – in einem besonders gelagerten Einzelfall – genügen lassen, dass sich das Kind so lange im Heimatstaat aufgehalten hat, dass der rückfordernde Elternteil eine den Verbleib sichernde Anordnung erwirken kann. Dem ist im dort entschiedenen Einzelfall, nicht aber im Allgemeinen zu folgen. Will der entführende Elternteil erneut – diesmal rechtmäßig – ausreisen, muss er – wie in dem von OLG Schleswig entschiedenen Fall – selbst durch Anrufung des zuständigen Gerichts im Herkunftsstaat die rechtlichen Voraussetzungen dafür dort schaffen. Solange dies nicht geschehen ist, bleibt die Rückführungsverpflichtung in Kraft und kann für den Fall der Wiedereinreise in den Zufluchtsstaat erneut unmittelbar vollstreckt werden.
Erweist sich die Vollstreckung einer Rückführungsanordnung als erforderlich, weil sämtliche Maßnahmen einer freiwilligen Rückführung fehlgeschlagen sind, ist der Vollstreckungsauftrag vom Gericht von Amts wegen zu erteilen; wenn der herausgabeberechtigte Elternteil widerspricht, kann das Gericht davon absehen (§ 44 Abs. 3 IntFamRVG). Die Anordnungen des Oberlandesgerichts sind sofort vollstreckbar, weil seine Entscheidung – aufgrund des gesetzlichen Ausschlusses der Rechtbeschwerde durch § 44 Abs. 2 S. 4 IntFamRVG – sofort in Rechtskraft erwächst. Hat das Oberlandesgericht die Rückführungsanordnung für vollstreckbar erklärt, erlassen oder bestätigt, so ist es nach § 44 Abs. 2 IntFamRVG auch für die Vollstreckung dieser Anordnung zuständig.
Das Bundesverfassungsgericht kann zudem auch eine nachträgliche Vollstreckungsanordnung auf der Grundlage des § 35 BVerfGG erlassen. Allerdings darf diese die Sachentscheidung, deren Vollstreckung sie dient, nicht ändern, modifizieren, ergänzen oder erweitern.
Rz. 144
Die Auswahl der angemessenen Ordnungsmittel steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Das Gericht hat die Rückführungsanordnung nach Art. 13 Abs. 2 HKÜ sogleich mit der Androhung eines Ordnungsmittels für den Fall der Nichtbefolgung verbinden; denn über § 14 Nr. 2 IntFamRVG gelten die §§ 89 ff. FamFG ergänzend. Nach Maßgabe dessen kann auch für den Fall der nicht freiwilligen Rückgabe binnen einer vom Gericht gesetzten Frist sogleich die Herausgabe an die zurückgelassenen Elternteil oder eine von diesem bestimmte Person sowie die Ermächtigung des Gerichtsvollziehers zur Anwendung unmittelbaren Zwangs und der Durchsuchung der Wohnung des entführenden Elternteils und jedes Dritten, bei dem sich das Kind aufhält, anordnen. Denn Gewaltanwendung gegen das Kind scheidet nicht grundsätzlich aus, § 44 Abs. 3 S. 1, 2 IntFamRVG, und mag sich im Einzelfall als notwendig erweisen.
Wegen § 156a Gerichtsvollziehergeschäftsanweisung (GVGA) n.F. muss das Gericht im Falle der erforderlichen Herausgabevollstreckung den Gerichtsvollzieher um Vollstreckung ersuchen. Dieses Ersuchen setzt allerdings voraus, dass die vorbereitenden Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Rückführung des Kindes vom Antragsteller bzw. der ihn vertretenden zentralen Behörde getroffen worden sind, also entweder der Antragsteller selbst oder eine geeignete, von ihm benannte Person ortsnah übernahmebereit ist oder aber das Jugendamt seine Mitwirkungsbereitschaft bei der Vollstreckung – und damit auch zur ggf. vorübergehenden Unterbringung des Kindes – erklärt hat (§ 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 IntFamRVG; insoweit hat das Jugendamt einen eigenständigen Beurteilungsspielraum, arg.: "in geeigneten Fallen").
Wie stets sollte, falls freiwillige Maßnahmen scheitern, zügig vollstreckt und vor allem eine eingeleitete Vollstrec...