Rz. 15
Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO stellt die Grundregel auf. Dieser zufolge ist der Mitgliedstaat international zuständig, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies gilt auch, wenn das Kind die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzt.[49] Den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts eines Kindes hat der EuGH für die Praxis geklärt: Dies ist der Ort, der Ausdruck einer gewissen sozialen und familiären Integration des Kindes ist. Hierfür sind insbesondere die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Umstände des Aufenthalts in einem Mitgliedstaat sowie die Gründe für diesen Aufenthalt und den Umzug der Familie in diesen Staat, die Staatsangehörigkeit des Kindes, Ort und Umstände der Einschulung, die Sprachkenntnisse sowie die familiären und sozialen Bindungen des Kindes in dem betreffenden Staat zu berücksichtigen. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes festzustellen.[50] Ein Aufenthalt von sechs Monaten (so eine alte "Faustregel") ist demnach keinesfalls Voraussetzung, sondern allenfalls ein Indiz; entsprechend wird ein gewöhnlicher Aufenthalt umso früher anzunehmen sein, je jünger das Kind ist.[51] Grundsätzlich ist es auch möglich, unmittelbar mit dem Umzug in einen anderen Mitgliedstaat dort einen gewöhnlichen Aufenthalt anzunehmen, wenn dieser auf längere Zeit – in der Regel auf mindestens sechs Monate[52] – angelegt und der Umzug mit der Zustimmung der Sorgeberechtigten – also rechtmäßig – erfolgt ist.[53] Ebenso ist der Sonderfall denkbar, dass ein Kind, das seinen Aufenthaltsort zwischen verschiedenen Ländern häufig gewechselt hat, keinen gewöhnlichen Aufenthalt innehat.[54]
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