1. Räumlicher Anwendungsbereich
Rz. 90
Das Übereinkommen gilt nur zwischen den – derzeit weltweit mehr als 90 – Vertragsstaaten.[243]
2. Zeitlicher Anwendungsbereich
Rz. 91
In zeitlicher Hinsicht setzt das Übereinkommen nach Art. 35 Abs. 1 HKÜ voraus, dass das widerrechtliche Verbringen oder Zurückhalten nach Inkrafttreten des Abkommens in beiden Staaten stattgefunden hat.[244] Für Deutschland gilt das HKÜ seit 1.12.1990.[245]
3. Persönlicher Anwendungsbereich
Rz. 92
Nach Art. 4 S. 2 HKÜ kann das Übereinkommen nicht mehr angewendet werden, sobald das Kind das 16. Lebensjahr vollendet hat. Der Altersgrenze liegt die Überlegung zugrunde, dass Kinder ab diesem Alter des Schutzes nicht mehr bedürfen, weil sie in der Regel gegen ihren Willen nicht mehr Opfer einer Entführung sein können.[246]
Nach Art. 4 S. 1 HKÜ muss sich das Kind unmittelbar vor der Verletzung des Sorgerechts oder des Rechts zum persönlichen Umgang in einem Vertragsstaat gewöhnlich aufgehalten haben.
Die Staatsangehörigkeit des Kindes ist unerheblich,[247] ebenfalls, ob das Kind im Staat, in dem die Rückgabe verlangt wird, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.[248]
4. Gewöhnlicher Aufenthalt
Rz. 93
Der Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" entspricht mangels einer eigenen Bestimmung im HKÜ in etwa dem des MSA (siehe Rdn 45 ff.). Er bestimmt sich nach dem tatsächlichen Lebensmittelpunkt des Kindes und setzt zumindest auch einen Aufenthalt von nicht nur geringer Dauer und den Schwerpunkt der Bindungen des Kindes an dem betreffenden Ort voraus.[249] Allerdings stellt sich bei einem zwischen den Eltern praktizierten Wechselmodell die Frage, ob das Kind sowohl im Herkunfts- als auch im Zufluchtsstaat einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann. Dies ist ebenso streitig wie die sich im Falle der Annahme eines doppelten gewöhnlichen Aufenthalts anschließende Frage, ob durch das Verbringen vom einen in den anderen dieser Staaten ein Sorgerecht verletzt werden kann,[250] im Ergebnis aber zu bejahen, weil es auf die Rechtslage im Herkunftsstaat ankommt und dort hat das Kind eben einen gewöhnlichen Aufenthalt.[251] Ist der neue Aufenthalt von vornherein auf eine längere Dauer angelegt, so kann der Aufenthalt auch unmittelbar zum gewöhnlichen Aufenthalt werden.[252] Insoweit ist auch der Bleibewille des Elternteils beim Umzug zu berücksichtigen.[253] Ebenso ist der (freilich sehr seltene) Sonderfall denkbar, dass ein Kind, das seinen Aufenthaltsort zwischen verschiedenen Ländern häufig gewechselt hat, keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von Art. 3 HKÜ innehat.[254]
Zum gewöhnlichen Aufenthalt bei Geltung der Brüssel IIa-VO siehe eingehend Rdn 161.
5. Umfang
Rz. 94
Nach Art. 2 HKÜ sollen die Vertragsstaaten alle geeigneten Maßnahmen treffen, insbesondere die schnellstmöglichen Verfahren anwenden, um in ihrem Hoheitsgebiet die Ziele des Übereinkommens zu verwirklichen.
Es ist zu überprüfen, ob das bestehende Sorgerecht und das Recht zum persönlichen Umgang[255] in den anderen Vertragsstaaten tatsächlich beachtet wird.
Unter das Sorgerecht[256] fällt jedoch nur die Personensorge, Art. 5 Buchstabe a HKÜ. Es reicht ein Mitsorgerecht.[257] Zum Sorgerecht zählen das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Erziehung, die Ausbildung und der Umgang mit Dritten. Der Bereich der Vermögenssorge fällt nicht unter das Abkommen.
Rz. 95
Das Recht zum persönlichen Umgang umfasst das Recht, das Kind für eine begrenzte Zeit an einen anderen Ort als den gewöhnlichen Aufenthaltsort zu b...
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