A. Einführung
Rz. 1
Die bisher beschriebenen allgemeinen Regeln des Zivilrechts decken zwar den allergrößten Teil der vorkommenden Lebenssachverhalte rechtlich ab. Sie reichen jedoch nicht vollständig aus, Anforderungen, die eine florierende Wirtschaft an das Recht stellt, zu erfüllen, weil zum Bespiel Rechtsformen für wirtschaftliche Betätigung nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung gestellt werden. Außerdem ist es nicht unbedingt sinnvoll, Menschen, die oft und regelmäßig am Wirtschaftsleben teilnehmen, denselben Regeln zu unterwerfen wie den Privatmann, dem vieles, was in der Wirtschaft selbstverständlich ist, fremd ist. Eine Rechtsordnung muss also Menschen, die sich im Wirtschaftsleben betätigen wollen, rechtlich hierfür geeignete Formen bereitstellen. Außerdem muss sie im Wirtschaftsleben sinnvolle und althergebrachte Bräuche respektieren. Diesen Anforderungen will das Handels- und Gesellschaftsrecht genügen.
B. Rechtsquellen
Rz. 2
Das Handels- und Gesellschaftsrecht ist nicht in einem einheitlichen Gesetzbuch ähnlich dem BGB geregelt. Es ist vielmehr über eine Vielzahl von einzelnen Gesetzen verstreut. Das zentrale Gesetz ist dabei das Handelsgesetzbuch (HGB), das die Vorschriften über den Kaufmann, den Handelsvertreter, die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft, den Handelskauf und eine große Anzahl weiterer Spezialthemen, die den Rahmen dieses Buches sprengen würden, behandelt. Grundsätzliche Vorschriften über die Gesellschaft finden sich weiterhin im bereits bekannten BGB.
Daneben existieren verschiedene Spezialgesetze, die sich mit den einzelnen Gesellschaftsformen befassen, so z.B. das GmbH-Gesetz (GmbHG), das Aktiengesetz (AktG), das Genossenschaftsgesetz (GenG) etc.
Grundsätzlich gilt auch für das Handels- und Gesellschaftsrecht, dass die spezielleren Regeln die allgemeinen verdrängen, so z.B. die Regeln über die offene Handelsgesellschaft, §§ 105 ff. HGB die des BGB über die Gesellschaft, §§ 705 ff. BGB.
C. Handelsrecht
I. Gegenstand
Rz. 3
Gegenstand des Handelsrechts i.S.d. HGB sind die Verhältnisse von Kaufleuten. Das Handelsrecht beschäftigt sich also damit, wer überhaupt Kaufmann ist und welche Konsequenzen die Kaufmannseigenschaft im täglichen Rechtsverkehr hat.
II. Kaufmann
Rz. 4
Bereits aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der zentrale Begriff des Handelsrechts der des Kaufmanns ist. Dass dies so ist, wird insbesondere von der moderneren Literatur kritisiert, von der eine Anknüpfung an die Eigenschaft als Unternehmen oder Unternehmer gefordert wird. Auch ist die Bezeichnung "Kaufmann" etwas verwirrend, da als "Kaufmann" auch Unternehmen der verschiedensten Rechtsformen und nicht etwa nur natürliche Personen angesehen werden. Gleichwohl hat sich der Gesetzgeber auch in seiner unlängst erfolgten Neuordnung der §§ 1–7 HGB dazu entschlossen, den Kaufmannsbegriff als zentrales Element des Handelsrechts beizubehalten.
Rz. 5
Das HGB nennt insbesondere zwei Arten von Kaufleuten:
▪ |
die Istkaufleute |
▪ |
die Kannkaufleute. |
Rz. 6
Wer Istkaufmann ist, bestimmt sich nach § 1 HGB. Danach ist dies jeder Kaufmann, der ein Handelsgewerbe betreibt. Das Handelsgewerbe ist gem. § 1 Abs. 2 HGB jeder Gewerbebetrieb, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Kannkaufleute sind hingegen Kaufleute, die nicht Istkaufleute sind, sich jedoch in das Handelsregister haben eintragen lassen, § 2 HGB. Sie haben als Kaufleute kraft Eintragung alle Regelungen für Kaufleute gegen sich gelten zu lassen, § 5 HGB.
§ 3 Abs. 1 HGB nimmt land- und forstwirtschaftliche Betriebe von den Vorschriften des § 1 HGB ausdrücklich aus. Das bedeutet, dass ein Land- oder Forstwirt, der Waren im Rahmen seines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes an- und verkauft, nicht Kaufmann ist, so dass die für Kaufleute geltenden Vorschriften auf ihn nicht anzuwenden sind. Allerdings kann der Land- oder Forstwirt, wenn sein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb einen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderlich macht, die Eintragung in das Handelsregister vornehmen lassen, wenn er dies möchte. Hierdurch wird er zum Kaufmann kraft Eintragung.
Rz. 7
Ein erheblicher Teil der Unternehmen wird heute von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften betrieben. In diesen Fällen erleichtert das Gesetz die Prüfung der Kaufmannseigenschaft. Hier bedarf es nicht der Prüfung, ob Gegenstand der Tätigkeit der Betrieb eines Handelsgewerbes ist. Vielmehr unterliegen diese Gesellschaften als sog. Formkaufleute "automatisch" und ausnahmslos dem Handelsrecht. Sie sind kraft Rechtsform Kaufleute.
Damit unterfallen sie dem gesamten Handelsrecht, einschließlich des Rechts der Handelsgeschäfte (§§ 343 ff. HGB).
Kaufleute kraft Rechtsform sind v.a. folgende Gesellschaften:
Rz. 8
Büromäßige Behandlung
Will der Anwalt am Gerichtsstand der in den AGB enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung klagen, ist der Verfahrensgegner jedoch nicht sicher Kaufmann, muss im Einzelnen geprüft werde...