Prof. Karl-Otto Bergmann, Dr. Carolin Wever
Rz. 84
Deckung besteht für die ärztliche Tätigkeit im Rahmen des Fachgebietes. Führt also beispielsweise ein Gynäkologe außerhalb seines Fachgebietes kosmetische Operationen durch, besteht Deckungsschutz nur, wenn der Gynäkologe dieses neue Risiko ausdrücklich in den Versicherungsschutz durch Nachmeldung einbezogen hat. Denn es handelt sich nicht nur um eine Gefahrerhöhung i.S.v. Ziff. 3.1 (2) AHB, sondern um ein nicht gedecktes Risiko außerhalb des Versicherungsvertrages.
Im Rahmen der sog. Vorsorgeversicherung gemäß Ziff. 4 AHB ist ein neues Risiko im Rahmen des bestehenden Versicherungsvertrages sofort versichert. Der Versicherungsnehmer hat dieses innerhalb Monatsfrist der Versicherung anzuzeigen. Allerdings kann ein Arzt im Rahmen der ärztlichen Therapiefreiheit auch Außenseiter- oder Neulandmedizin betreiben, ohne seinen Versicherungsschutz zu gefährden. Allenfalls kann in Ausnahmefällen eine Gefahrerhöhung i.S.v. Ziff. 3.1 (2) AHB in Betracht kommen. Der Einsatz von Röntgen- und Laserstrahlen ist heute üblicherweise in den Verträgen mit versichert.
Beachte
Das versicherte Risiko kann sich heute bei Eingehung neuer Kooperationsformen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung durch Vernetzung und Verzahnung ändern, so z.B. wenn ein sog. Konsiliararzt im Rahmen eines Kooperationsvertrages sämtliche Patienten des Krankenhauses, und zwar auch die stationären Fälle, betreut. Da dieser Arzt als niedergelassener Arzt im Rahmen der herkömmlichen Haftpflichtversicherung die ärztliche Tätigkeit in eigener, also ambulanter Praxis abgesichert hat, bedarf es einer Abänderung des Versicherungsvertrages und einer Änderung des beschriebenen Risikos.
a) Strahlungsrisiko
Rz. 85
Nach Ziff. 7.12 AHB sind Haftpflichtansprüche wegen Schäden im Zusammenhang mit energiereichen ionisierenden Strahlen und Laserstrahlen grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgenommen. Im medizinischen Bereich wäre ein solcher Haftungsausschluss nicht praxisgerecht. Deshalb ist in der Arzthaftpflichtversicherung das Strahlungsrisiko in den BBR – gegen entsprechende Prämie – in ausdrücklicher Abweichung von den AHB regelmäßig wieder eingeschlossen, sofern der Stand von Wissenschaft und Technik bei der Strahlenbehandlung eingehalten wird (1.3.4 BBR).
Rz. 86
Davon zu unterscheiden sind Schäden bei der Anwendung radioaktiver Stoffe am Menschen in der medizinischen Forschung. Haftpflichtansprüche wegen dieses Risikos sind wiederum gesondert zu versichern (1.3.4.2 (1) BBR). Hier ist ohnehin zu prüfen, ob nicht eine Probandenversicherung (siehe auch Rdn 32) abgeschlossen werden muss. Ohnehin vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind regelmäßig Ansprüche wegen genetischer Schäden (1.3.4.2 (2) BBR).
b) Plastische Chirurgie
Rz. 87
Kosmetische Eingriffe ohne medizinische Indikation, die also aus rein ästhetischen Gründen zur Beseitigung von Schönheitsfehlern vorgenommen werden, müssen gesondert in die Haftpflichtversicherung aufgenommen werden (5.24 BBR). Zusätzliche Voraussetzung für die Gewährung von Versicherungsschutz ist hier häufig, dass die vom Versicherer vorgeschriebene Einverständniserklärung des Patienten vorliegt.
Rz. 88
Kosmetische Operationen unterliegen, soweit sie überhaupt versichert werden, einem Zuschlag. Viele Versicherer schließen diese Eingriffe, wenn sie nicht medizinisch indiziert sind, in ihren allgemeinen Bedingungen vollständig aus.
c) Schwangerschaftsabbruch
Rz. 89
Der Schwangerschaftsabbruch ist in den BBR der Versicherer nicht ausdrücklich geregelt. Der Schwangerschaftsabbruch, den der Arzt mit Einwilligung der Schwangeren vornimmt, ist nach § 218a Abs. 1 StGB strafrechtlich nicht tatbestandsmäßig bzw. nach § 218a Abs. 2, 3 StGB nicht rechtswidrig, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Eine Strafbarkeit des Arztes scheidet also aus. Der Eingriff gehört nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers zum ärztlichen Aufgabenbereich. Der rechtmäßig und standardgerecht vorgenommene Schwangerschaftsabbruch untersteht folglich dem Schutz der Arzthaftpflichtversicherung. Dagegen ist der Schwangerschaftsabbruch durch den Arzt nach § 218a Abs. 4 StGB bis zur 22. Woche nach der Empfängnis und nach Beratung, aber ohne Vorliegen einer medizinisch-sozialen Indikation, nur für die Schwangere nicht strafbar. Es handelt sich um einen persönlichen Strafausschließungsgrund, der dem Arzt nicht zugute kommt. Für den Arzt bleibt der Abbruch grundsätzlich strafbar. Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung besteht nach § 24b Abs. 1 S. 1 SGB V bei einem rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch ohnehin nicht.
Rz. 90
Der Schwangerschaftsabbruch durch den Arzt ist nur als Vorsatztat denkbar. Versicherungsansprüche von Personen, die einen Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben, sind nach Ziff. 7.1 AHB von der Haftpflichtversicherung ausgeschlossen. Der Vorsatz muss sich auch...