Prof. Karl-Otto Bergmann, Dr. Carolin Wever
Rz. 129
Ein anderes Konzept zur Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunktes für den Versicherungsschutz verfolgt die Versicherung nach dem Anspruchserhebungsprinzip. In teilweiser Abänderung von Ziff. 1.1 AHB erstreckt sich der Versicherungsschutz danach nur auf Schadensersatzansprüche, die während der Laufzeit des Vertrages erhoben werden und auf Schadenereignissen beruhen, die nach dem Rückwirkungsdatum eingetreten sind. Rückwirkungsdatum ist üblicherweise der Vertragsbeginn. Der Ansatz kommt aus dem anglo-amerikanischen Raum ("claims-made-coverage") und wird dort vor allem in der Berufshaftpflichtversicherung praktiziert. Der Vorteil soll in der einfachen Prüfung liegen, ob ein Schadenfall in die Versicherungszeit fällt, da der Zeitpunkt der erstmaligen Anspruchserhebung i.d.R. eindeutig feststeht. In Deutschland werden Arzthaftpflichtversicherungen nach diesem Prinzip, soweit hier bekannt, derzeit von zwei Versicherern angeboten. Im Rahmen der Claims-Made-Versicherung sind die Ansprüche gedeckt, die innerhalb des versicherten Zeitraums geltend gemacht werden, beginnend mit dem Zeitpunkt der Anspruchserhebung. Damit entfällt das Spätschadenspotential, folglich auch die sonst erforderliche Rückstellungsbildung für eingetretene, aber noch nicht bekannte Versicherungsfälle. Schwierigkeiten ergeben sich bei einem Wechsel des Deckungssystems durch den Versicherungsnehmer. Für den Versicherungsnehmer würde dies den Abschluss einer Nachhaftungsversicherung erforderlich machen.
Die Claims-Made-Versicherung gilt im Übrigen im Rahmen D&O Haftpflichtversicherung für Unternehmensleiter, insbesondere gilt sie im Heilwesenbereich im anglo-amerikanischen Raum, so dass der Weltversicherungsmarkt von der Claims-Made-Versicherung geprägt ist. Das Anspruchserhebungsprinzip (Claims-Made) erweitert den Versicherungsschutz auch für Tatsachen, für die der Versicherungsnehmer auch außerhalb der Vertragslaufzeit verantwortlich geworden ist. Langheid weist a.a.O., Rn 65 f. zutreffend darauf hin, dass etwaige Nachteile des Claims-Made-Prinzips nicht vorliegen. Hinzu kommt bei Claims-Made-Policen häufig eine Rückwärtsdeckung, so dass unbekannte Pflichtverletzungen, die vor Abschluss des Versicherungsvertrages begangen worden sind, nachträglich gedeckt werden.
Als Vorteil des Claims-made-Prinzips wird vom Anbieter angesehen, dass Claims-made Transparenz über Schadeneintritte eines Versicherungsjahrs gewährleistet, somit auch risikoadäquate Prämien ermöglicht. Claims-made entschärft die Spätschadenproblematik für Versicherungsnehmer und Versicherer, dem Versicherungsnehmer stehen aktuelle Deckungssummen zur Verfügung, der Versicherer hat einen Überblick über mögliche Schadenbelastung zurückliegender Jahre. Ausreichend lange Nachhaftungsregelungen schließen mögliche Deckungslücken. Das Claims-made-Prinzip ist auch im deutschen Recht grundsätzlich wirksam und genügt einer Inhaltskontrolle, sofern die mit ihm verbundenen Nachteile ausreichend kompensiert werden.
Beachte
Auch "Claims made" löst sich nicht völlig vom Schadenereignisbegriff. Nach den Besonderen Versicherungsbedingungen muss nicht nur die Erhebung von Schadensersatzansprüchen, sondern auch das zugrunde liegende Schadenereignis innerhalb der Vertragslaufzeit liegen. Eine gesonderte Definition des Begriffes "Schadenereignis" erfolgt nicht, so dass wiederum auf die Diskussion zu den AHB zurückzugreifen ist.