Rz. 160

Die alte Regelung, wonach nicht nur die vorsätzliche, sondern auch die grob fahrlässige Verletzung der Obliegenheiten zur völligen Leistungsfreiheit des Versicherers führte, wurde mit der VVG-Reform aufgegeben. Das sog. Alles-oder-nichts-Prinzip besteht nicht mehr. Bei grob fahrlässiger Verletzung einer Obliegenheit erfolgt eine Leistungskürzung nach dem Grad des Verschuldens des Versicherungsnehmers, § 28 Abs. 2 VVG n.F., Ziff. 26.2 AHB. Dies hat zur Folge, dass bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung weiterhin eine Leistungsfreiheit des Versicherers besteht, bei leicht fahrlässiger Verletzung hingegen eine volle Leistungspflicht. Bei grober Fahrlässigkeit wird eine Kürzung der Leistung vorgenommen. Auch wenn dies im Ergebnis eine Verbesserung der Rechte des Versicherungsnehmers darstellt, impliziert doch die Kürzung einer Leistung eine Leistungsminderung; hier ist Überzeugungskraft und Fingerspitzengefühl aller Beteiligter gefordert, um die Auswirkungen und die Bedeutung der neuen Rechtslage für den Versicherungsnehmer transparent zu machen. Für die Quotelung der Leistungspflicht fehlen Erfahrungswerte; die aus dem allgemeinen Zivilrecht bekannten Grundsätze nach § 254 BGB können nicht ohne weiteres herangezogen werden, weil im Versicherungsrecht nicht das Verschulden zweier Parteien gegeneinander abgewogen wird. Es wird daher die Aufgabe der Gerichte sein, Kriterien bzw. Fallgruppen für eine sachgerechte Entscheidung zu entwickeln, um so die pauschalisierte Quotelung zu ermöglichen.[212]

[212] Franz, VersR 2008, 298–312.

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