Rz. 13

Die Deutsche Ärzteversicherung, Zweigniederlassung der AXA Versicherung AG, verwaltet 186.000 Arzthaftpflichtversicherungsverträge. In den Jahren 2007 bis 2009 stellte die Deutsche Ärzteversicherung mehr als eine Verdopplung des Verlustes in der Sparte Arzthaftpflicht fest.[23] Die Schadensaufwendungen betrugen ungefähr das Doppelte der Einnahmen. Untersuchungen haben ergeben, dass dies in erster Linie auf die Teuerung der Großschäden mit einem Schadensaufwand ab 200.000 EUR zurückzuführen ist. Die Schadenentwicklung wird durch Großschäden getrieben.

 

Anteil Großschäden (über 200.000 EUR Aufwand) am Gesamtschaden

Allgemeinmedizin 55 % 62 Schäden = 0,9 % aller Schäden*
Anästhesiologie 70 % 20 Schäden = 2,2 % aller Schäden*
Augenheilkunde 28 % 11 Schäden = 0,1 % aller Schäden*
Chirurgie 32 % 28 Schäden = 0,5 % aller Schäden*
Neurochirurgie 68 % 8 Schäden = 3,8 % aller Schäden*
Gynäkologie ohne Geburtshilfe 70 % 62 Schäden = 2,5 % aller Schäden*
Gynäkologie mit Geburtshilfe 84 % 47 Schäden = 8,2 % aller Schäden*
HNO 39 % 7 Schäden = 0,5 % aller Schäden*
Innere Medizin 41 % 26 Schäden = 0,6 % aller Schäden*
MKG 34 % 7 Schäden = 0,4 % aller Schäden*
Nervenheilkunde 31 % 2 Schäden = 0,4 % aller Schäden*
Orthopädie 37 % 25 Schäden = 0,4 % aller Schäden*

* bezogen auf alle offenen u. geschlossenen Schäden dieser Fachrichtung aus den letzten 10 Jahren

 

Rz. 14

Für den niedergelassenen Gynäkologen mit Geburtshilfe berichtet die Deutsche Ärzteversicherung einen notwendigen Tarifbeitrag von über 40.000 EUR. Mit dieser Summe wird eine Finanzierungsgrenze erreicht, welche für den betroffenen Arzt – ähnlich wie die Tariferhöhungen für Hebammen – die Berufsausübung als solche in Frage stellt.

Die Schadenvolumina von Großschäden der Sparte Arzthaftpflichtschäden sind in den letzten Jahren deutlicher gestiegen als der Lebenshaltungskostenindex. Besonders teuer sind die Schäden, die erst viele Jahre nach dem Schadeneintrittsjahr aufgrund des Spätschadenrisikos der Arzthaftpflichtversicherung gemeldet wurden.

 

Rz. 15

Die Deutsche Ärzteversicherung schlägt eine Quersubventionierung der Prämien durch andere Versicherungszweige nicht vor, sondern lehnt eine solche Quersubventionierung ab. Sie schlägt entweder eine Heilbehandlungsrisikoversicherung, eine Poollösung, eine Staatsbeteiligung oder eine Staatshaftung vor. Der GDV hat in den Gesprächen mit den Verbänden und Ministerien trotz Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzbarkeit eine staatliche Excedentenlösung vorgeschlagen, ferner eine Einschränkung des Regressverzichtes der Sozialleistungsträger und Sozialversicherungsträger entweder bei besonders belasteten Berufsgruppen oder für einzelne Sozialleistungsträger oder bestimmte Schadensbilder. Die politische Diskussion ist noch im Fluss.

 

Rz. 16

Auch Katzenmeier hält für den Sonderfall "Geburtsschäden" eine gesetzliche Neuregelung entweder nach französischem Vorbild oder einer Heilbehandlungsrisikoversicherung oder einem Fonds für Geburtsschäden für notwendig, um das Geburtsschadenrisiko noch versicherbar zu machen. Bei Haftpflichtversicherungsprämien im Fachgebiet Gynäkologie mit Geburtshilfe von aktuell über 40.000 EUR jährlich ist in der Tat die Grenze eines finanzierbaren Versicherungsbeitrages erreicht. Auch die Prämienentwicklung im Bereich der Hebammenversicherung bestätigt dies.[24] Katzenmeier sieht jedenfalls das geltende Haftpflichtsystem im Fachgebiet Gynäkologie mit Geburtshilfe als obsolet an.[25] Aus der Praxis des Versicherungsrechts erscheint es geboten zu sein, ähnlich wie im Bereich der Anwaltshaftung erstens eine Pflichtversicherung für Ärzte einzuführen und zweitens eine summenmäßige Begrenzung der Haftung auf die Versicherungspolicesumme vorzunehmen, und zwar mit einem Befriedigungsvorrecht für den Geschädigten vor Regressträgern. Wenn die Versicherungssumme erschöpft ist, hat der Arzt dann auch nicht mehr Schadensersatz aus übergegangenem Recht an die Sozialversicherungsträger zu leisten. Dies entspricht dem Gerechtigkeitsempfinden und dem Haftungssystem, da letztlich bei umfassender Regressmöglichkeit der gesetzlichen Versorgungsträger nur eine Umverteilung von den versicherten Ärzten mit erhöhter Prämie auf die Allgemeinheit vorgenommen würde.

 

Rz. 17

Wenn die Haftpflichtversicherung als eine gesetzliche Pflichtversicherung ausgestaltet ist, ist zum einen gewährleistet, dass ein Arzt vor seiner Zulassung eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung nachweisen muss, wobei auch gewährleistet sein muss, dass, da Krankenhäuser bisher keine Pflichtversicherung haben, auch der in einem Anstellungsverhältnis stehende Arzt ausreichenden Versicherungsschutz nachweisen muss. Die ausreichende Haftpflichtversicherung in Form einer gesetzlichen Pflichtversicherung ermöglicht andererseits die Einführung notwendiger Haftungshöchstgrenzen. Auch die besondere Bedeutung von Leben und Gesundheit als grundrechtlich geschützte Rechtsgüter kann nicht zu einer zwingend unbegrenzten Haftung führen.[26] Vielmehr ist es sachg...

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