Prof. Karl-Otto Bergmann, Dr. Carolin Wever
I. Schwerpunkte anwaltlicher Tätigkeit
Rz. 1
Die Schwerpunkte anwaltlicher Tätigkeit auf dem Gebiet der Heilwesenversicherung sind die Beratung beim Vertragsabschluss sowie die Beratung und Prozessvertretung beim Haftungsfall. Hauptfragen der Arzthaftpflichtversicherung sind z.B. "Wer muss sich versichern?", "Welche Tätigkeiten sind versichert?", "Für welchen Zeitraum gilt der Versicherungsschutz?" und "Wie hoch ist der Deckungsschutz?".
Beispiel
Eröffnet ein Arzt nach Abschluss der Facharztausbildung eine eigene Praxis, stellt dies bei einer Haftpflichtversicherung für einen Assistenzarzt keine bloße Risikoerhöhung i.S.v. Ziff. 3.1 (2) AHB dar. Es liegt vielmehr ein neues Risiko i.S.v. Ziff. 4.1 AHB vor.
Folge: Die unverzügliche Anzeige des neuen Risikos und ggf. Neuabschluss sind zwingend erforderlich!
Rz. 2
Der Vertragsabschluss bietet nicht nur dem Versicherungsmakler, sondern auch dem Rechtsanwalt Gelegenheit, seine Beratungsleistung einzubringen. Beide Parteien des Versicherungsvertrages sind in der Regel an einer langfristigen und reibungslosen Zusammenarbeit interessiert. Der Abschluss sollte deshalb möglichst sorgfältig vorbereitet werden, um unliebsame Überraschungen während der – angestrebten – langjährigen Laufzeit zu vermeiden. Das gilt erst recht bei einem Versicherungswechsel und beim Abschluss einer Nachhaftungsversicherung.
Rz. 3
Während der Vertragslaufzeit beschränkt sich der Bedarf an Rechtsberatung meist auf den Schadenfall. In zivilrechtlichen Verfahren wird der Rechtsanwalt entweder vom Patienten oder Arzt in Abstimmung mit dem Versicherer, bei strafrechtlichen Vorwürfen vom Patienten oder Arzt eingeschaltet. Bei der Mandatsausübung für den Arzt auf der Passivseite gilt es dann, die besonderen Rechte und Pflichten zu beachten, die sich für die Vertragsparteien aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag ergeben.
Rz. 4
Die folgenden Ausführungen widmen sich vor allem diesen beiden Schwerpunkten anwaltlicher Tätigkeit. Die Gliederung orientiert sich am Inhalt der regelmäßig zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen. Die Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen (BBR) für die Haftpflichtversicherung für Betriebe und Berufe des Heilwesens und des medizinischen Hilfsgewerbes sowie für Apotheken der verschiedenen Versicherer sind zwar nicht identisch, stimmen aber weitgehend überein, so dass die auch im Internet dokumentierten Bedingungen durchaus repräsentativ sind.
Hinweis
Auch im Internet sind Versicherungsbedingungen zu finden, die mit den hier aufgenommenen Versicherungsbedingungen verglichen werden können. Aufgrund der häufigen Änderungen der entsprechenden Seiten wird auf eine Fundstellenwidergabe verzichtet.
Rz. 5
Neben den BBR enthalten Versicherungsverträge sog. geschriebene Bedingungen, mit denen zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer Individualvereinbarungen getroffen werden. Für die Prüfung des Umfangs des Versicherungsschutzes des Arztes ist es daher unerlässlich, die vollständigen Bedingungen des Originalversicherungsscheins zu überprüfen.
Beachte
Der konkrete Inhalt des Versicherungsschutzes ergibt sich nur aus dem individuellen Versicherungsschein i.V.m. den zugrunde gelegten Versicherungsbedingungen. Die BBR enthalten sowohl Standardbestimmungen, die allen Arzthaftungsversicherungen zugrunde liegen, als auch das Angebot für die zuschlagpflichtige Versicherung von Nebenwagnissen, die gesondert vereinbart werden müssen.
II. Bedeutung der Heilwesenversicherung
Rz. 6
Die Heilwesenversicherung deckt das Schadensrisiko des Behandlers i.S.d. § 630a BGB ab, also des Krankenhausträgers, des Arztes im Krankenhaus und in der niedergelassenen Praxis, aber auch des Psychotherapeuten, der Hebammen und des Heilpraktikers. Häufig wird auch der Einfachheit halber von der Arzthaftpflichtversicherung gesprochen. Die Haftpflichtversicherung des Arztes steht im Mittelpunkt der Erörterungen. Die Deckungszusage in der Haftpflichtversicherung bedeutet, dass der Haftpflichtversicherer das Risiko des Versicherungsnehmers, von einem Dritten aufgrund gesetzlicher Haftpflichtvorschriften auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, als eigene Verpflichtung übernimmt. Die Deckungszusage bezieht sich also auf die "finanzielle Abdeckung der aus dem einzelnen Haftpflichtfall erwachsenen Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers einem Dritten gegenüber."
Die Heilwesenversicherung ist eine Schadensversicherung i.S.d. Kap. 2 des VVG in Form der Passivenversicherung, da sie das Risiko des einzelnen Versicherungsnehmers vor Belastung seines Vermögens mit Schadensersatzansprüchen eines Geschädigten deckt. Die Fassung des § 102 Abs. 1 VVG unter Einbeziehung des Bediensteten als Drittversicherten zeigt, dass Schutzzweck einer Heilwesenversicherung auch der Schutz des einzelnen Bediensteten ist. Ärzte sind bei der Ausübung ihres Berufes einem erheblichen Haftungsrisiko ausgesetzt. Zum einen ist das Risiko eines Fehlschlages zwangsläufig Bestandteil der ärztlichen Behandlung, da trotz allen medizinischen Fortschrittes die Funktion des men...