Rz. 28

Nach § 21 der Musterberufsordnung der deutschen Ärzte (MBO-Ä)[46] ist der Arzt verpflichtet, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit zu versichern. Entsprechende Regelungen sind in den einzelnen Kammer-Berufsordnungen enthalten (z.B. § 21 Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe). Ärzte sind also nur durch das Standesrecht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verpflichtet.[47] Dies unterscheidet sie von anderen freien Berufen wie z.B. Rechtsanwälten und Notaren, für die eine gesetzliche Versicherungspflicht besteht (§ 51 Abs. 1 S. 1 BRAO, § 19 a Abs. 1 S. 1 BNotO). Interessanterweise hat der Verordnungsgeber auf Landesebene zwar freiberufliche Hebammen und Entbindungspfleger verpflichtet, sich ausreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen der beruflichen Tätigkeit zu versichern (z.B. § 8 Abs. 1 Ziff. 1 HebBO Hessen), nicht aber Gynäkologen, obwohl diese gerade bei Komplikationen hinzugerufen werden müssen. Spezielle berufsrechtliche Sanktionen für Ärzte sind bei einem Verstoß gegen die Versicherungspflicht nicht vorgesehen. Bei einer Berufsausübung ohne Versicherungsschutz liegt aber ein Verstoß gegen Standesrecht vor, der zur Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens und Zwangsmaßnahmen der Approbationsbehörde führen kann (z.B. § 29 Abs. 1 HeilberufsG NW i.V.m. den Berufsordnungen der jeweiligen Ärztekammern).[48]

 

Rz. 29

Die berufsrechtliche Überwachung durch die Ärztekammer dient regelmäßig nicht der Wahrung individueller Belange, sondern dem Interesse der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung einer geordneten ärztlichen Versorgung. Wegen fehlender Drittbezogenheit hat daher der Patient keinen Rechtsanspruch gegen die Ärztekammer auf fehlerfreie Ermessensentscheidung über ein etwaiges Einschreiten gegen ein nicht versichertes Mitglied und daher auch keinen Amtshaftungsanspruch, wenn der Patient seine Ansprüche gegen den vermögenslosen Arzt nicht durchsetzen kann.[49]

 

Rz. 30

Der Arzt verliert vorbehaltlich der Regelung des § 6 Abs. 1 BÄO – anders als der Rechtsanwalt – nicht seine berufsrechtliche Zulassung, wenn er gegen die Verpflichtung nach § 21 MBO verstößt, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit zu versichern. Falls aber deswegen ein Patientenschaden nicht reguliert werden kann, kommen wiederum berufsrechtliche Sanktionen in Betracht.[50] Die Heilberufsgesetze der Länder sehen in den Bundesländern Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein eine Pflicht des Arztes vor, eine ausreichende Haftpflichtversicherung abzuschließen. Anders als beispielsweise bei den Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern ist die Zulassung zum Beruf nicht an den Abschluss und das Bestehen einer Haftpflichtversicherung geknüpft. Ebenso wenig haben die Versicherer die Pflicht, die Beendigung des Versicherungsvertrages der Approbationsbehörde mitzuteilen. Püster bejaht in den Fällen, in denen landesrechtlich in den entsprechenden Kammer- und Heilberufsgesetzen eine Versicherungspflicht qualifiziert worden ist, eine Pflichtversicherung für Ärzte.[51] Insgesamt ist das Regelungswerk zwar auf dem Wege, eine Pflichtversicherung zu schaffen, die Sanktionsmöglichkeiten reichen aber nicht aus, die Arzthaftpflichtversicherung als Pflichtversicherung zu qualifizieren.

 

Beachte

Da keine gesetzliche Versicherungspflicht besteht, ist in der Beratung des Arztes beim Abschluss einer Arzthaftpflichtversicherung der Hinweis auf die ohne ausreichende Versicherung drohenden Haftungsrisiken umso wichtiger. Beauftragt im Haftungsfall der Arzt selbst und nicht der Haftpflichtversicherer einen Rechtsanwalt mit der Wahrung seiner Interessen, so ist es erste Aufgabe des Anwaltes, zunächst das Bestehen einer Haftpflichtversicherung ­abzuklären und sich mit dem Haftpflichtversicherer abzustimmen.

Möglich ist auch, dass der Versicherer eine individuelle Deckungssumme für einen bestimmten Behandlungsfall einrichtet. Eine entsprechende Nachfrage bei dem Haftpflichtversicherer kann z.B. zweckmäßig sein, wenn sich ein berühmter Spitzenverdiener einer gefährlichen Operation unterzieht.

[46] Abgedruckt in Ratzel/Lippert, MBO, S. 17 ff.
[47] Ratzel/Lippert-Ratzel, § 21 Rn 1 f.; Hübner, ZfV 1990, 55 (57);. in der neuen Auflage auch Laufs/Kern-Schlund, § 21 Rn 2.
[48] Ratzel/Lippert-Ratzel, § 21 Rn 3.
[49] LG Düsseldorf Medizinrecht 2003, 418.
[50] Zutreffend: Ratzel/Lippert-Ratzel, § 21 Rn 3.
[51] Püster, Entwicklung der Arzthaftpflichtversicherung, Berlin-Heidelberg, S. 7.

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