Prof. Karl-Otto Bergmann, Dr. Carolin Wever
Rz. 26
Entsprechende Regelungen sind in den einzelnen Kammer-Berufsordnungen enthalten (z.B. § 21 Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe). Ärzte sind also, soweit sie nicht Vertragsärzte sind, durch das Standesrecht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verpflichtet. Dies unterscheidet sie von anderen freien Berufen wie z.B. Rechtsanwälten und Notaren. Interessanterweise hat der Verordnungsgeber auf Landesebene zwar freiberufliche Hebammen und Entbindungspfleger verpflichtet, sich ausreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen der beruflichen Tätigkeit zu versichern (z.B. § 8 Abs. 1 Ziff. 1 HebBO Hessen), nicht aber Gynäkologen, obwohl diese gerade bei Komplikationen hinzugerufen werden müssen. Spezielle berufsrechtliche Sanktionen für Ärzte sind bei einem Verstoß gegen die Versicherungspflicht nicht vorgesehen. Bei einer Berufsausübung ohne Versicherungsschutz liegt aber ein Verstoß gegen Standesrecht vor, der zur Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens und Zwangsmaßnahmen der Approbationsbehörde führen kann (z.B. § 29 Abs. 1 HeilberufsG NW i.V.m. den Berufsordnungen der jeweiligen Ärztekammern).
Berufstätige Mitglieder der Ärztekammer haben Patienten auf Verlangen Informationen über ihren Versicherungsschutz zu dokumentieren. Dies folgt bereits aus europarechtlichen Vorschriften.
Rz. 27
Die berufsrechtliche Überwachung durch die Ärztekammer dient regelmäßig nicht der Wahrung individueller Belange, sondern dem Interesse der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung einer geordneten ärztlichen Versorgung. Wegen fehlender Drittbezogenheit hat daher der Patient keinen Rechtsanspruch gegen die Ärztekammer auf fehlerfreie Ermessensentscheidung über ein etwaiges Einschreiten gegen ein nicht versichertes Mitglied und daher auch keinen Amtshaftungsanspruch, wenn der Patient seine Ansprüche gegen den vermögenslosen Arzt nicht durchsetzen kann. Die ärztliche Tätigkeit i.S.d. § 21 MBO-Ä erfasst nicht nur die eigentliche ärztliche Behandlung, sondern jede Tätigkeit, bei der die ärztlichen Kenntnisse eingesetzt werden und die Haftpflichtrisiken mit sich bringen.
Rz. 28
Der Arzt verliert vorbehaltlich der Regelung des § 6 Abs. 1 BÄO und des § 95c SGB V nicht seine berufsrechtliche Zulassung, wenn er gegen die Verpflichtung nach § 21 MBO verstößt, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit zu versichern. Falls aber deswegen ein Patientenschaden nicht reguliert werden kann, kommen wiederum berufsrechtliche Sanktionen in Betracht. Die Heilberufsgesetze der Länder sehen in den Bundesländern Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein eine Pflicht des Arztes vor, eine ausreichende Haftpflichtversicherung abzuschließen. Ebensowenig haben die Versicherer die Pflicht, die Beendigung des Versicherungsvertrages der Approbationsbehörde mitzuteilen. Püster bejaht in den Fällen, in denen landesrechtlich in den entsprechenden Kammer- und Heilberufsgesetzen eine Versicherungspflicht qualifiziert worden ist, eine Pflichtversicherung für Ärzte. Insgesamt ist das Regelungswerk auf dem Wege, eine Pflichtversicherung zu schaffen.
Beachte
Da für den Vertragsarzt nach § 95e SGB V eine gesetzliche Versicherungspflicht besteht, ist in der Beratung des Arztes beim Abschluss einer Arzthaftpflichtversicherung der Hinweis auf die ohne ausreichende Versicherung drohenden Haftungsrisiken umso wichtiger. Beauftragt im Haftungsfall der Arzt selbst und nicht der Haftpflichtversicherer einen Rechtsanwalt mit der Wahrung seiner Interessen, so ist es erste Aufgabe des Anwaltes, zunächst das Bestehen einer Haftpflichtversicherung abzuklären und sich mit dem Haftpflichtversicherer abzustimmen.
Möglich ist auch, dass der Versicherer eine individuelle Deckungssumme für einen bestimmten Behandlungsfall einrichtet. Eine entsprechende Nachfrage bei dem Haftpflichtversicherer kann z.B. zweckmäßig sein, wenn sich ein berühmter Spitzenverdiener einer gefährlichen Operation unterzieht.
Sofern ausreichender Versicherungsschutz schon anderweitig besteht, kann der Arzt nach Sinn und Zweck des § 21 MBO-Ä nicht zum Abschluss eines weiteren Versicherungsschutzes gezwungen werden. Dies gilt insbesondere also für Oberärzte, Assistenzärzte und Ärzte im Praktischen Jahr im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit für das Krankenhaus. Üblich ist auch der Einschluss im Versicherungsvertrag des Krankenhauses für Nebentätigkeiten, etwa des Chefarztes im Rahmen der Privatambulanz oder der Gutachtertätigkeit. Eine eingehende Vereinbarung ist allerdings nicht entbehrlich.