Prof. Karl-Otto Bergmann, Dr. Carolin Wever
1. Berufsausübung
Rz. 83
Das versicherte Risiko in der Arzthaftpflichtversicherung ist die ärztliche Tätigkeit als solche. Versichert ist das gesetzliche Haftpflichtrisiko (Ziff. 1.1 AHB). Darunter fällt das Risiko, aus Vorschriften in Anspruch genommen zu werden, die unabhängig vom Willen der Beteiligten an die Verwirklichung eines unter Ziff. 1 AHB fallenden Ereignisses Rechtsfolgen knüpfen. Die (Arzt-)Haftpflichtversicherung schützt gegen deliktische und quasideliktische Ansprüche sowie gegen Schadensersatzansprüche aus Vertrag und c.i.c. Die Haftung aus positiver Vertragsverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) und Verschulden bei Vertragsverhandlungen (§ 313 Abs. 2 BGB) wurden durch die Schuldrechtsreform explizit gesetzlich verankert und gehören damit zum versicherten gesetzlichen Haftpflichtrisiko.
Beachte
Die versicherte berufliche Tätigkeit des Arztes bzw. der versicherte Betrieb werden im Versicherungsschein und seinen Nachträgen beschrieben. Der Arzt muss bei Versicherungsabschluss bzw. bei der Aufnahme seiner Tätigkeit im Krankenhaus darauf achten, dass sich das im Vertrag beschriebene Tätigkeitsprofil mit dem Umfang seiner tatsächlichen Berufsausübung deckt.
So können BBR besondere Risikoausschlüsse enthalten, z.B. ambulantes Operieren, Behandlung mit Zellulartherapie, medizinische Informatik oder Umweltmedizin. Bei Nennung von Risikoausschlüssen ist besondere Sorgfalt des Beraters gefordert.
2. Tätigkeitsfelder
Rz. 84
Deckung besteht für die ärztliche Tätigkeit im Rahmen des Fachgebietes. Führt also beispielsweise ein Gynäkologe außerhalb seines Fachgebietes kosmetische Operationen durch, besteht Deckungsschutz nur, wenn der Gynäkologe dieses neue Risiko ausdrücklich in den Versicherungsschutz durch Nachmeldung einbezogen hat. Denn es handelt sich nicht nur um eine Gefahrerhöhung i.S.v. Ziff. 3.1 (2) AHB, sondern um ein nicht gedecktes Risiko außerhalb des Versicherungsvertrages.
Im Rahmen der sog. Vorsorgeversicherung gemäß Ziff. 4 AHB ist ein neues Risiko im Rahmen des bestehenden Versicherungsvertrages sofort versichert. Der Versicherungsnehmer hat dieses innerhalb Monatsfrist der Versicherung anzuzeigen. Allerdings kann ein Arzt im Rahmen der ärztlichen Therapiefreiheit auch Außenseiter- oder Neulandmedizin betreiben, ohne seinen Versicherungsschutz zu gefährden. Allenfalls kann in Ausnahmefällen eine Gefahrerhöhung i.S.v. Ziff. 3.1 (2) AHB in Betracht kommen. Der Einsatz von Röntgen- und Laserstrahlen ist heute üblicherweise in den Verträgen mit versichert.
Beachte
Das versicherte Risiko kann sich heute bei Eingehung neuer Kooperationsformen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung durch Vernetzung und Verzahnung ändern, so z.B. wenn ein sog. Konsiliararzt im Rahmen eines Kooperationsvertrages sämtliche Patienten des Krankenhauses, und zwar auch die stationären Fälle, betreut. Da dieser Arzt als niedergelassener Arzt im Rahmen der herkömmlichen Haftpflichtversicherung die ärztliche Tätigkeit in eigener, also ambulanter Praxis abgesichert hat, bedarf es einer Abänderung des Versicherungsvertrages und einer Änderung des beschriebenen Risikos.
a) Strahlungsrisiko
Rz. 85
Nach Ziff. 7.12 AHB sind Haftpflichtansprüche wegen Schäden im Zusammenhang mit energiereichen ionisierenden Strahlen und Laserstrahlen grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgenommen. Im medizinischen Bereich wäre ein solcher Haftungsausschluss nicht praxisgerecht. Deshalb ist in der Arzthaftpflichtversicherung das Strahlungsrisiko in den BBR – gegen entsprechende Prämie – in ausdrücklicher Abweichung von den AHB regelmäßig wieder eingeschlossen, sofern der Stand von Wissenschaft und Technik bei der Strahlenbehandlung eingehalten wird (1.3.4 BBR).
Rz. 86
Davon zu unterscheiden sind Schäden bei der Anwendung radioaktiver Stoffe am Menschen in der medizinischen Forschung. Haftpflichtansprüche wegen dieses Risikos sind wiederum gesondert zu versichern (1.3.4.2 (1) BBR). Hier ist ohnehin zu prüfen, ob nicht eine Probandenversicherung (siehe auch Rdn 32) abgeschlossen werden muss. Ohnehin vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind regelmäßig Ansprüche wegen genetischer Schäden (1.3.4.2 (2) BBR).
b) Plastische Chirurgie
Rz. 87
Kosmetische Eingriffe ohne medizinische Indikation, die also aus rein ästhetischen Gründen zur Beseitigung von Schönheitsfehlern vorgenommen werden, müssen gesondert in die Haftpflichtversicherung aufgenommen werden (5.24 BBR). Zusätzliche Voraussetzung für die Gewährung von Versicherungsschutz ist hier häufig, dass die vom Versicherer vorgeschriebene Einverständniserklärung des Patienten vorliegt.
Rz. 88
Kosmetische Operationen unterliegen, soweit sie überhaupt versichert werden, einem Zuschlag. Viele Versicherer schließen diese Eingriffe, wenn sie nicht medizinisch indiziert sind, in ihren allgemeinen Bedingungen vollständig aus.