Prof. Karl-Otto Bergmann, Dr. Carolin Wever
Rz. 108
Der Haftpflichtversicherer gewährt Rechtsschutz bei der Abwehr von unberechtigten und der Abwicklung von berechtigten Haftpflichtansprüchen. Die Versicherung umfasst die zur Verteidigung gebotenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten (§ 101 Abs. 1 S. 1 VVG).
1. Zivilverfahren
Rz. 109
Im Arzthaftungsprozess übernimmt der Versicherer nach Ziff. 5.2 AHB im Namen des Versicherungsnehmers die Prozessführung auf seine Kosten. Die Prozesskosten werden nicht als Leistungen auf die Versicherungssumme angerechnet (Ziff. 6.5 AHB). Der Versicherer trägt demnach alle Kosten, auch wenn Schadensersatz und Prozesskosten zusammen die Deckungssumme überschreiten.
2. Selbstständiges Beweisverfahren
Rz. 110
Nach der neueren Rechtsprechung des BGH ist ein selbstständiges Beweisverfahren auch in Arzthaftungsangelegenheiten zulässig. Der Rechtsschutzanspruch entsteht bereits mit jeder ernstlichen Erhebung von Ansprüchen durch Dritte. Deshalb übernimmt der Versicherer ungeachtet dieser Diskussion auf jeden Fall auch die Kosten eines vom Patienten beantragten selbstständigen Beweisverfahrens.
3. Schlichtungsverfahren
Rz. 111
Alle Landesärztekammern haben, teils gemeinsam, Schlichtungsstellen bzw. Gutachterkommissionen zur unabhängigen, außergerichtlichen Überprüfung von Behandlungsfehlervorwürfen eingerichtet. Bei allen Unterschieden zwischen den einzelnen Verfahrensordnungen handelt es sich stets um ein freiwilliges Schlichtungs- und kein Schiedsverfahren. Die beteiligten Parteien, Arzt/Krankenhausträger, Patient und Versicherer, müssen der Durchführung des Schlichtungsverfahrens zustimmen. Die Gutachterkommission bzw. Schlichtungsstelle unterbreitet abschließend einen Einigungsvorschlag und trifft keine verbindliche Entscheidung.
Rz. 112
Da der Deckungsschutz auch die Kosten des Rechtsschutzes des Versicherungsnehmers umfasst, werden auch die Kosten des Verfahrens vor den Gutachterkommissionen bzw. Schlichtungsstellen der Landesärztekammer eingeschlossen. Die Haftpflichtversicherer leisten hier für den Versicherungsnehmer die von den Ärztekammern erhobenen Kostenbeiträge. Ebenso werden etwa anfallende Rechtsanwaltskosten des Versicherungsnehmers übernommen.
Rz. 113
Das Verfahren ist für den Patienten kostenfrei. Die Kosten für die Gutachtenerstellung übernimmt der Haftpflichtversicherer des Arztes. In dieser Phase beauftragt der Versicherer regelmäßig noch keinen Rechtsanwalt, sondern führt das Verfahren in eigener Regie durch. Erst wenn es trotz Schlichtungsspruchs zu einem Haftungsprozess kommt, wird ein Prozessbevollmächtigter eingeschaltet. Das im Schlichtungsverfahren eingeholte Gutachten kann im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden. Im Einzelfall übernimmt der Versicherer nach Abstimmung auch die Kosten eines vom Arzt beauftragten Rechtsanwaltes. Die Bundesärztekammer geht davon aus, dass etwa ¼ aller Arzthaftpflichtfälle von den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern bewertet werden. Prozentual betrachtet richten sich die Verfahren zu 70 % gegen Kliniken und zu 30 % gegen niedergelassene Ärzte oder Praxen. Die Zahlen haben sich bis heute nicht wesentlich geändert.