Rz. 1

Soweit dem Geschädigten Ansprüche als wiederkehrende Leistungen, also in Rentenform zustehen, wie z.B. vermehrte Bedürfnisse, Haushaltsführungsschaden, Erwerbs- und Unterhaltsschaden (§§ 843 Abs. 1, 844 Abs. 2 S. 1 BGB), kann er bei Vorliegen bestimmter Umstände ("wichtiger Grund" i.S.d. § 843 Abs. 3 BGB – siehe Rdn 9 ff.) stattdessen eine Kapitalabfindung verlangen oder sie vertraglich vereinbaren.

 

Rz. 2

Ein Anspruch des Schädigers oder seines Haftpflichtversicherers auf Kapitalabfindung besteht dagegen nicht (unzutreffend Schlund, VersR 1981, 401). Weder der Schädiger noch der Geschädigte haben also ein Wahlrecht.

 

Rz. 3

Die laufende Regulierung von Schadensersatzrenten endet allerdings in der Praxis – nach Jahren oder gar Jahrzehnten – in der Regel mit einer Kapitalisierung. Die gesetzliche Ausnahme ist daher in der Regulierungspraxis die Regel!

 

Rz. 4

Eine Kapitalisierung anzustreben ist auch unter Honorargesichtspunkten interessant: Im Falle einer Kapitalabfindung fließt der gesamte Betrag in den Gegenstandwert ein, sodass der Honorarbetrag wesentlich höher ist, als wenn sich der Gegenstandswert nur nach dem 3 ½-fachen Jahreswert (§ 9 S. 1 ZPO) oder fünffachen Jahreswert (§ 42 Abs. 2 GKG) der Rentenzahlung berechnet. Zudem erfolgt die Honorarzahlung sofort und nicht erst nach Jahren. Der Fall ist dann abgeschlossen.

 

Merke

Nur eine abgerechnete und weggelegte Akte ist eine gute Akte!

 

Rz. 5

Andererseits verbietet es das Interesse des Mandanten an optimaler Vertretung und einem möglichst hohen Ergebnis, etwa einen Vergleich "um jeden Preis" abzuschließen. Oft muss einfach gepokert werden. Auch die Versicherer haben ein elementares Interesse an dem Abschluss eines Vergleiches, da sie dann die Akte meistens schließen können und vor allen Dingen kein weiterer Verwaltungsaufwand, der erhebliche Ressourcen raubt, mehr betrieben zu werden braucht.

 

Rz. 6

Möglich sind auch Teilabfindungsvergleiche, z.B. nur über das Schmerzensgeld bzw. bestimmte materielle Schadensersatzansprüche oder Verdienstausfall bis zu einem bestimmten Zeitpunkt oder überhaupt nur über bestimmte Zeiträume oder bestimmte Ansprüche.

 

Rz. 7

Zu unterscheiden ist zwischen der Kapitalisierung mit und der ohne "wichtigen Grund". Nach § 843 Abs. 3 BGB kann der Verletzte bzw. der Hinterbliebene (§ 844 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 BGB) eine Abfindung in Kapital nur dann verlangen, wenn ein "wichtiger Grund" vorliegt. Fehlt es an diesem – und das ist der Regelfall –, wird die Abfindung in einem Vergleich (§ 779 BGB), also auf vertraglicher Ebene im gegenseitigen Einverständnis ausgehandelt.

 

Rz. 8

Ob derartige Vergleiche wirksam sind, ist umstritten (vgl. Nehls, SVR 2005, 161 ff., 167 f.; ders., DAR 2007, 444 ff., 449 f.). Voraussetzung für den Vergleich ist die Dispositionsbefugnis über das Rechtsverhältnis. An dieser Dispositionsbefugnis kann es fehlen, wenn ein "wichtiger Grund" nicht vorliegt und ein Kapital daher nicht eingeklagt werden kann.

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