Rz. 28
Bei der Kapitalisierung sind die folgenden Parameter zu beachten:
1. |
Saubere Herausarbeitung der laufenden Rente einschließlich Laufzeit; |
2. |
Umstände, die während einer laufenden Regulierung geltend gemacht werden könnten (Veränderungen) und |
3. |
versicherungsmathematische Parameter. |
1. Laufende Rente, Laufzeit
Rz. 29
Folgende Renten kommen für die Kapitalisierung in Betracht:
a) Verletzung
Rz. 30
▪ |
vermehrte Bedürfnisse (z.B. Fahrtkostenersatz, behindertengerechte Pkw-Umrüstung, Medikamentenaufwand), lebenslänglich. |
▪ |
Haushaltsführungsschaden, lebenslänglich (strittig). |
▪ |
Pflegeaufwendungen, lebenslänglich. |
▪ |
Erwerbsschaden (mit Karrieresprüngen). |
Rz. 31
Zur Höhe der Rente und zur Laufzeit kann Streit bestehen, der durch den Abfindungsvergleich erledigt wird. Regellaufzeit bei Arbeitnehmern: bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres. Danach vgl. § 119 SGB X. Bei bestimmten Berufsgruppen (z.B. Soldaten, Piloten) ist eine Frühpensionierung zu berücksichtigen. Bei Selbstständigen ist als Regelarbeitszeit die Vollendung des 68. Lebensjahres anzunehmen (vgl. hierzu die "Geschäftplanmäßige Erklärung" der Versicherer, Stiefel/Hofmann, AKB, 18. Auflage 2010, § 10 AKB Rn 152, zu § 10 Abs. 7 AKB, wonach bei der Berechnung von Geschädigtenrenten bei selbstständig Tätigen das vollendete 68. Lebensjahr als Endalter festzulegen ist). Nach dem 68. Lebensjahr ist vermindertes Altersruhegeld geltend zu machen.
b) Tötung
Rz. 32
▪ |
Barunterhaltsschaden |
▪ |
Haushaltsführungsschaden |
Bei Ehegatten beide Ansprüche bis zum Tode des Erstversterbenden; bei Kindern grundsätzlich bis zur Volljährigkeit, ausnahmsweise weiter bei Bedürftigkeit, z.B. bis zum Ende der Ausbildung oder bei schwerer Körperbehinderung; lebenslänglich (BGH v. 25.4.2006 – VI ZR 114/05 – zfs 2006, 677 ff.).
Rz. 33
Insoweit besteht Waffengleichheit: Bei zu großer Divergenz zwischen den Vorstellungen des Geschädigten und des Haftpflichtversicherers des Schädigers kann im Vorfeld der Abfindung Klage mit dem Ziel erhoben werden, z.B. die Höhe der Mithaftung oder des Verdienstausfalles zu klären. Einer Abfindungsverhandlung vorgelagert kann daher ggf. die Klage auf Leistung und Feststellung für den Berechtigten stehen.
2. Änderung der Verhältnisse, insbesondere Rentendynamik
Rz. 34
Während der laufenden Regulierung können Umstände eintreten, die zu einer Änderung der Höhe der Rente oder der Laufzeit führen:
▪ |
zu Ungunsten (Abschläge vom Kapitalwert) des Verletzten bzw. Hinterbliebenen: Arbeitslosigkeit, Insolvenz des früheren Arbeitgebers, Erwerbsunfähigkeit, Wiederheirat; |
▪ |
zugunsten (Erhöhung des Kapitalwerts) des Verletzten: Erhöhung des Verdienstausfalles, des Geldunterhaltsschadens. |
Rz. 35
Diese Umstände werden bei laufender Regulierung beachtet (bei einem Urteil nach § 323 ZPO, bei außergerichtlicher Regulierung analog).
a) Abänderung
Rz. 36
Bei Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse ist eine Abänderung der Abfindung – etwa in analoger Anwendung des § 323 ZPO – nicht möglich (BGH VersR 1981, 283; BGH NJW 1981, 818 ff.: für Abfindung durch Urteil; BGH NJW 1984, 115: für den Vergleich). Es gelten aber die allgemeinen Grundsätze für die Anpassung eines Vergleiches gem. § 242 BGB wegen Wegfalls oder Fehlens der Geschäftsgrundlage. Realisieren sich die maßgeblichen Vorstellungen beider Parteien nicht und ist das Festhalten am Vergleich dem Geschädigten nach § 242 BGB nicht zuzumuten, ist der Vergleich entsprechend anzupassen, soweit dies wiederum dem Schädiger zuzumuten ist (OLG München zfs 1992, 293).
b) Rentendynamik
Rz. 37
Daraus folgt: Hinsichtlich dieser Verhältnisse muss eine Prognose gewagt werden, auch wenn sie noch so schwierig ist. Der BGH nennt als eines dieser Verhältnisse die Rentendynamik. Trotz aller Unsicherheiten sind Voraussagen über die wahrscheinliche künftige Steigerung des Lohn- und Gehaltsgefüges zu machen. Zu schätzen ist die Entwicklung der individuellen Rente. Die Rente wegen vermehrter Bedürfnisse wird – wegen der allgemeinen Kostensteigerungen – eine höhere Steigerung haben als die Verdienstausfallrente. Die Einkommenssteigerungen "hinken" manchmal hinter den Kostensteigerungen hinterher. Das rechtfertigt aber nicht die Annahme, die Rentendynamik sei Müll. Es kommt auf den konkreten Berufszweig des Geschädigten an: Bei dem Verdienstausfall wird zurzeit die Steigerung z.B. im Bereich Pharma- oder Stahlgroßhandel höher ausfallen als im Einzelhandel. Beachtet werden sollte auf jeden Fall eine Dynamik in Höhe der Inflationsrate – allenfalls mit einem kleinen Abschlag.
Beachte
Die Annahme einer Rentendynamik erhöht den Barwert.
Rz. 38
Hinsichtlich der Rentendynamik überzeugen die Ausführungen des Urteils des LG Stuttgart (DAR 2007, 467 ff.) nicht. Sie sind im Rahmen von § 287 ZPO nicht nachvollziehbar. Insoweit dürfte das Urteil unrichtig sein. Zur Rentendynamik äußert sich das Urteil wie folgt:
Rz. 39
Zitat
"Dem Abzinsungsfuß kann entgegen der Auffassung des Klägers ein Dynamikzuschlag auf die Renten nicht gegenüber gestellt werden. Die überschaubare Wirtschaftslage lässt keinen Raum, um von effektiven Lohn- und Rentensteigerungen auszugehen. Eine Rentendynamik kommt nur in Betr...